Wahlkampfauftakt auf ServusTV.

Servus TV hat heute (01.Juni) wieder eine Glanzleistung erbracht. Das Problem mit den Muslimen ist dem Fleischhacker ja schon lange bekannt: „Das Problem ist der Islam“ schrieb er deshalb schon vor 10 Jahren (http://diepresse.com/home/meinung/kommentare/fleischhacker/330211/Leitartikel_Das-Problem-ist-der-Islam). Aber nun holte er den Integrationsexperten HC Strache als Studiogast, um seine eigene These mit ihm zu diskutieren. So hieß die Sendung auch: „Muslime in Österreich – warum scheitert die Integration?“ Bei so einem Titel, dieser Fragestellung und so einer Ausgangsposition ist es natürlich nicht möglich, das Thema in eine konstruktive Richtung zu lenken, denn eigentlich ist die Antwort schon vorgegeben.

Nach dem Servus TV gefühlt alle aktiven MuslimInnen in Österreich für die Sendung anfragte, diese aber absagten, weil man sich so einem Format nicht mehr hingeben und Respekt und Selbstachtung wahren wolle, griffen die Sendungsmacher nach Deutschland.

Der Politikwissenschaftler und Dozent Farid Hafez postete nach seiner Absage auf facebook:

„Ich halte es für höchst problematisch, unter so einem Titel zu diskutieren und hinzunehmen, dass ein Leben von MuslimInnen und restlichen Teilen der Gesellschaft bereits gescheitert sei. Das ist eine nicht bewiesene Behauptung, die für einen HC Strache, der auch an dieser Diskussion teilnimmt, eine ideale Ausgangslage für alle weiteren undifferenzierten Behauptungen bietet. Eine solche Aufmache dient nicht der Versachlichung der Debatte. Vielmehr reproduziert sie eine im rassistischen Diskurs vorhandene Essentialisierung des muslimischen Anderen. Und so etwas unterstütze ich nicht!“ (https://www.facebook.com/farid.hafez?fref=ts {02.Juni.2017}) 

Unter diesem Beitrag kommentierten zahlreiche ebenso angefragte MuslimInnen, die abgesagt haben und schlossen sich diesem Statement an.

Nach dem Servus TV am selben Tag der Sendung noch schnell eine (von all den Dingen ahnungslose) Muslimin in Deutschland anfragte und schnell einfliegen ließ, konnte die ganze Debatte, die einem Wahlkampfauftakt der FPÖ glich, losgehen. 

Heute waren auf der einen Seite, und das sage ich bewusst so, weil die TeilnehmenerInnen gerne über „Wir“ und „Sie“ gesprochen haben, HC Strache, der Historiker und „Islam-Experte“ Heiko Heinisch und Publizistin Birgit Kelle. Auf der anderen Seite waren die Modedesignerin Meriem Lebdiri aus Deutschland und Adnan Dincer aus Vorarlberg.

HC Strache war wie man ihn eben kennt: Bewaffnet mit Schlagwörtern wie „Kinder schützen“, „Salafismus“, „politischer Islam“ und weiteres was von einem Politiker aus seiner Ecke eben erwartet werden kann. Im Sinne einer berechneten „Islamkritik“ wurden alle Register gezogen. Von vergleichen islamischer Länder mit Österreich zum Kopftuch, über radikalisierte Jugendlicher, Predigten in Moscheen bis hin zu zusammenhangslosem Zitieren von Koranversen war alles dabei. Eigentlich mittlerweile sehr vorhersehbar.

Der Historiker und angebliche „Islam-Experte“ Heiko Heinisch wirft mit Zahlen um sich und versucht diese den anderen TeilnehmerInnen verständlich zu machen. Weiter möchte er der Mitdiskutantin Lebdiri erklären, dass weder sie noch er bestimmen könne, was ein Kopftuch bedeute. Frau Kelle wirft sofort ein, dass das die Gesellschaft tue. Im nächsten Satz entscheidet sich Heinisch um und wiederspricht sich, in dem er Lebdiri versichert: das Kopftuch ist ein Symbol des politischen Islam, ob sie wolle oder nicht. In dem Moment in dem Lebdiri versucht zu kommentieren, sprechen Strache, Heinisch und Kelle lautstark gleichzeitig auf sie ein und versuchen sie vom Gegenteil zu überzeugen. Lebdiri gibt auf. Wie arrogant muss man eigentlich sein, wenn man glaubt, einer erwachsenen Frau erklären zu müssen, was ihre selbstgewählte Kleidung bedeutet? Was für ein sexistisches Verhalten eine erwachsene Frau dermaßen zu bevormunden und ihr vorzuschreiben, was sie über ihr Kopftuch denken kann oder nicht?

Kelle, die offenbar an diesem Tag auf ihrem hohen Ross angereist ist, war das Abbild der europäischen, weißen Frau. Die Minderheitsgesellschaft müsse sich nun mal den Entscheidungen der Mehrheitsgesellschaft fügen. Dies nennt sie dann Demokratie. Das war dann auch ihr Lieblingswort an diesem Abend. Ob sie sich mit den Grundrechten in einer Demokratie auseinandergesetzt hat, ist eine Frage, die noch zu klären ist. Kelle möchte entscheiden. Weil sie Europäerin ist und Lebdiri & Dincer und alle für die sie an diesem Abend stehen, keine sind.

Selbst in ihrer Argumentation verteidigt sich Kelle und meint, es sei weder Diskriminierung noch Rassismus, was sie sage oder was sie fordere. Dann diskriminiert sie. Daraus kann man schließen, dass sie entweder rassistisch ist,  oder nicht ganz verstanden hat, was Diskriminierung und Rassismus bedeuten. Für sie sei das nämlich nicht Rassismus oder Angstmache, sondern ein „Standpunkt“ der Mehrheitsgesellschaft. Dass ihr Mitdiskutant Strache aber ständig über Angst spricht, interessiert sie weniger.  

Lebdiri, die Modemacherin aus Deutschland versucht oft, aber leider auch erfolglos das Wort an sich zu nehmen und ihren Standpunkt zu erläutern. Dabei geht sie oft in zwei Wort Dialoge mit Strache ein. Die Momente in dem sie das Wort an sich nimmt, vergibt sie sofort wieder mit der von ihr gestellten, aber bis zum Ende unbeantworteten Frage, wieso sie kein Kopftuch in der Schule tragen könne. Schlussendlich wurde, wie erwartet, die komplette Diskussion auf ihrem Rücken geführt, während Kelle sie um Erlaubnis bittet ihr mal Demokratie erklären zu dürfen, und Strache ihr lächelnd ins Gesicht sagte, dass er nichts gegen sie habe. Das hat nichts an der Situation geändert, dass sie die Quotenmuslima in dieser Runde war, um auch ja nicht vorgeworfen bekommen zu können, man habe der muslimischen Seite nicht das Wort gegeben. Dass die Redaktion im letzten Moment vergeblich nach einer Muslimin suchte, ist daran erkennbar geworden, dass man eine Frau in eine politische Runde setzte, die nicht aus dem politischen Aktivismus in Österreich kommt, sondern aus der Modeszene in Deutschland.

Dincer, der sogenannte „Migrantenpolitiker“ aus Dornbirn, hat seine Redezeit gut genutzt und war fokussiert auf politische Themen. Er ging sinnfreien Versuchen einer theologischen Diskussion, wie von Strache angezettelt, aus dem Weg und versuchte die Lage und die Empfindungen der MuslimInnen in Österreich so gut es geht zu erläutern.

Von Anbeginn an, durch die gezielte Setzung des Titels und mit einem weniger neutralen Moderator wurden MuslimInnen kollektiv in eine Verteidigungshaltung gedrängt und eine echte Debatte und Suche nach Lösungen unmöglich gemacht.  Mein Vorschlag für das nächste Mal wäre eine ausgeglichenere, auf Augenhöhe stattfindende Runde und vielleicht dasThema –Muslime in Österreich, wie gegenseitige Integration gelingt-!  

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