Freund:innenschaften & das Gute

Vor einigen Tagen saß ich mit besonderen Menschen an einem Tisch, im Freien, mit Getränken und Popcorn und plötzlich entwickelte sich das Gespräch zu einem mit ernsten Themen aber mit einer seltenen Leichtigkeit. Eine Person erzählte von ihren zwischenmenschlichen Beziehungen, wie sie diese nutzt und pflegt. Es dauerte nicht lang und das Thema „Freundschaft“ – das mich über die letzen Monate sehr viel Zeit, Gedanken und Kraft gekostet hat- kam auf.

Eine Person erzählte, dass man ja immer sage: Gute Freund:innen sind in deinen schlechten Tagen da. Das stimme so nicht, erzählte sie, und erläuterte warum. Denn gute Freund:innen sind nicht jene, die bei dir sind und dich trösten wenn du weinst oder eine schlimme Zeit durchmachst. Klar, ist das ein Bestandteil von Freund:innenschaft. Aber wenn du aus dem Gespräch und deinem vermeintlichen „Für dich Dasein“ raus gehst und dir denkst: „puh, die Arme, zum Glück bin ich nicht in so einer Situation“, oder dich gar an Leid der anderen unbewusst ergötzt, ist das dann nicht paradox?

Ehrlich gesagt weiß ich gerade nicht ob ich gut in Worte fassen kann was ich meine, ich glaube es wird klarer wenn der nächste Schritt kommt. Denn welches sind denn nun die guten Freund:innen? Es sind die, die an deinen schönen, deinen erfolgreichen und deinen glücklichen Tagen ebenso bei dir sind. Es sind Menschen die sich für deinen Erfolg freuen können, und darin keine Konkurrenz oder Bedrohung für sich selbst sehen. Es sind jene, die mit dir Lachen wenn du glücklich bist, sich aufrichtig für und mit dir freuen, ohne Missgunst zu hegen. Es sind jene, die dir alles gönnen was du erreichst, tust, und an Gutem erlebst, ohne jeglichen Hintergedanken. Es sind die Menschen, die sich über dein Glück freuen und du dich über ihr Glück freust. Wo man auseinander geht und sich nicht schlecht fühlt, ausgelaugt und gar klein. Sondern einfach nur dankbar. 

In dem Moment als ich den Worten lauschte hatte ich einen sogenannten „Mindblow – Moment“. Und ich dachte mir nur: ja! Ja, das stimmt. Und es erklärt so vieles! Es sind nicht die Menschen, die dir versprechen an jedem deiner schlechten Tage bei dir zu sein (was sie im Endeffekt eh nicht sind), sich aber abwenden und missgünstig sind, wenn du erfolgreich (je nach dem wie man Erfolg definiert) und Glücklich (je nach dem wie man Glück definiert) bist. 

Es sind die Menschen, die sich über deinen beruflichen Werdegang freuen und dich nicht versuchen im eigenen Schatten zu halten. Es sind die Freund:innen die sich für deine „gut laufende“ Partnerschaftsbeziehung freuen, und dir nicht ständig sagen, wie dankbar du doch sein solltest und es ja jeder Zeit vorbei gehen könnte. Es sind die Menschen, und auch Familienmitglieder die nicht versuchen bei jedem deiner schönen Momente einen negativen Touch da zu lassen, denn: wehe du bist zufriedner als sie! 

Und dann fällt mir eine weitere Sache ein. Ich sprach mit meiner Koranexegese-Lehrerin vor langer Zeit über das Gut-sein. Dass wir Mumin, also Gläubige nach dem Guten streben und deswegen versuchen so gut wie möglich zu sein und Gute Werke zu tun. So werden Gläubige im Koran unter anderem beschrieben.

Und nicht nur das: es geht um die Frage der Absicht. 

Ich habe mich nämlich das letzte Jahr unglaublich viel hinsichtlich freundschaftlicher Beziehungen und familiärer Beziehungen gefragt. Mir regelrecht den Kopf zerbrochen. Und jedes Mal kam die Frage auf: Wieso? Wieso sagen sie das? Wieso tun sie das? Wieso sagen sie nichts? Wieso bringen die Menschen immer etwas Negatives ein? Machen darauf aufmerksam was SIE sind und du nicht bist. Das, was du NICHT hast, statt Anerkennung dafür zu zeigen, was du geschafft hast, und und und. Und wenn man sie von außen betrachtet sind sie die reflektiertesten und liebsten Menschen. Ihr wisst. 

Und dann wurde mir heute klar: weil die Menschen nicht Gut sind oder sein wollen für einen größeren Sinn und Zweck. Weil wir, ich eingeschlossen, nicht verinnerlicht haben, dass das Gute um des Guten Willen getan wird. Weil wir dahinter sind, dass Gute für die Menschen zu tun, weil sie sehen sollen wie gut wir sind, um im Endeffekt, dass wir besser sind als sie, dass wir ihnen überlegen sind. Weil uns die Demut gegenüber der Schöpfung und dessen Gaben fehlt. Und weil wir nach wie vor mit der größten Herausforderungen kämpfen: Sucht nach Anerkennung und Hochmut. 

Ich habe für mich mitgenommen: ich möchte üben, mich nur mehr für Menschen zu freuen, das Gute und Schöne  in den Fokus zu rücken. Wenn negatives aufkommt, nicht zu sprechen sondern mich zu fragen, woher das kommt. Ich möchte mehr Schönes sprechen. Ich möchte Gutes um des Guten Willen tun. 

Ich möchte Menschen aus meinem Leben möglichst entfernen, die Gutes um des Menschen Willen und der Sichtbarkeit und Anerkennung wegen tun. Und ich möchte Freund:innen und Familie, die sich für mein Glück freuen und mich darin unterstützen können. 

PS: mit ist klar, dass jeder Mensch, auch ich, nach Anerkennung und Sichtbarkeit strebt. Das ist mMn ein Grundbedürfnis von Menschen. Was ich aber meine, ist der Negative Aspekt des Ganzen. Der Aspekt, der dazu führt, dass andere Menschen verletzt werden.

Wir können nirgendwo ganz wir sein.

Wer ist sichtbar und wer wird unsichtbar gemacht?

Nach welchen Kriterien suchen wir die Menschen aus, dir wir durch unsere Ressourcen und Mitteln fördern und denen wir eine Bühne geben (möchten)?

Was bedeutet es, in marginalisierten Gruppen solidarisch zu sein?

Was bedeutet es, Ressourcen zu teilen?

„Ich kann dieses Spiel halt nicht mitspielen, lächeln, hihi da hihi hier, und dann zuhause sitzen und genau wissen, dass dich die Menschen nur so viel haben möchten, wie es ihnen was bringt.“, schreibe ich einer Freundin.

Und was ist die Alternative: Texte, die in den Schubladen verstauben, Fotografien, die nie gesehen werden, Gedanken die nie gehört und 15 Jahre Mädchen*arbeit die nicht geschätzt wird.

Ich erinnere mich an Fragmente aus meiner Kindheit. Familien die miteinander konkurrierten. Welches Auto? Welche Wohnung? Welche Ausbildung für die Kinder?

Dann haben die Kinder ebenso begonnen, miteinander zu konkurrieren.

Welche Ausbildung? Welche Partner:in? Welches Haus? Welches Gehalt? Welche Schuhe?

Sie redeten viel übereinander. Und ich hatte immer das Gefühl, dass ich mit all dem nichts anfangen konnte – also schwieg ich. Sehr oft.

„Was wohl in dem Kopf dieses Mädchens ständig vor sich geht, so dass sie stundenlang still vor sich hinblickt und kein Wort sagt.“, fragte mein Lieblingsonkel mal meine Tante. „Esim ist immer so, ich glaube wir wollen gar nicht wissen, was da alles vor sich geht.“, antwortete sie.

Stille Menschen hören und sehen sehr viel. Dinge, die andere überhören oder übersehen. Dinge die andere nicht einmal wahrnehmen, nahm ich wahr, verarbeitete es für Tage und zog mir eine Lehre daraus. Meine Stille hat mich erzogen.

Am schlimmsten fand ich es aber, wenn all diese Menschen, die viel übereinander sagten, und dass auch genau wussten, dann zusammenkamen. Sie lächelten, sagten wie großartig sie sich gegenseitig fanden, und unternahmen gemeinsam Dinge.

Und ich war dabei, schwebte um diese ganze Struktur herum und hörte, sah und nahm wahr.

Ich hatte mir versprochen, nie so zu werden. Egal, ob das bedeutete, dass ich eben nicht dazu gehöre. Nicht gesehen und nicht wahrgenommen werde. Ich dachte, ich würde Menschen finden, die Denken und Fühlen wie ich.

Diese Menschen fand ich, sie wurden aber mit der Zeit immer weniger. Denn der gemeinsame Kampf um Ressourcen, Mittel und eine gemeinsame Bühne wandelte sich um in einen Kamp um die Ressourcen, Mittel und Bühnen selbst. Und das gleiche Spiel begann erneut.

Es scheint mir, dass mit den Errungenschaften, die gemeinsamen Werte, das gemeinsame Denken und Fühlen verloren geht. Dass es dann darum geht, die Bühne zu haben, und nicht zu teilen. Was bedeutet es, wenn wir die Muster und Mechanismen von jenen annehmen, die wir all die Jahre kritisiert haben. Und diese Mechanismen dann gegen unsere „eigenen“ Leute wenden.

Eine Hierarchie in der Hierarchie in der Hierarchie. Ein Unsichtbargemachtwerden im Unsichbargemachtwerden im Unsichtbargemachtwerden.

Und dann denke ich an die Worte einer Bekannten, die meinen Rat für eine Diskussionsrunde suchte: wir sind Menschen, die überall die „anderen“ sind. Wir können nirgendwo ganz wir sein.

Kunstinstallation „29 signs of patriarchy“

Fotos: MINITTA PHOTOGRAPHY
Foto: MINITTA PHOTOGRAPHY

Ausstellungsort: Akademie der Bildenden Künste Wien 10.10.2022 – 16.10.2022 im Rahmen der M*C 2022.

Die Installation setzt sich aus 29 Materialien, Objekten und Stoffen zusammen. Diese Materialien und Objekte symbolisieren in diesem Sinne das Patriarchat und dessen Wirkung, Stärkung und Erhaltung.

Die Zahl 29 verweist auf die Femizide im Jahr 2021 in Österreich.

Die Installation wird mit einer literarischen Arbeit begleitet, in der Objekte thematisiert werden, die von diversen Frauen* als Zeichen des Patriarchat genannt wurden.

Keine Gemeinschaft ohne Vergebung.

Ich habe mich vor wenigen Tagen mit einer Bekannten gestritten. Am Ende des Schreits, in dem ich womöglich meine eigenen Grenzen überschritten habe, und mich darin nicht mehr selbst erkannte sagte sie mir: Lies dir mal bitte deinen Text durch, den du vor einigen Tagen geschrieben hast. Sie meinte den Text über Kommunikation und Selbstdisziplin, in der ich eine Lehre aus der Schlacht von Uhud und der Niederlage zog für die Art und Weise, wie man mit Menschen umzugehen hat, die einem weh tun.

Und ja, ich habe darüber reflektiert und sie hat Recht, es ist die selbe Situation. Ich habe an dem Tag 49 Geschwister verloren an einen Krieg gegen den Islam und wurde zudem noch von einer Glaubensschwester, mit der ich Seite an Seite käpfe verletzt – sehr verletzt. Und ich habe es nicht geschafft Selbstdisziplin zu üben. Wie die letzten Male – ich habe ausgeteilt.

Und nun verstehe ich die Geschichte besser. Ich kann hineinfühlen, wie schwierig das für den Propheten gewesen sein muss, sich im Zaum zu halten. Nicht zu verletzen, nicht um sich zu schlagen. Es ist sehr schwer. Doch, wenn er sagt, er ist gekommen, um den besten Charakter zu vervollständigen, heißt es, dass das ein Teil des besten Charakters sein muss – Haliim zu sein. Nachsichtig, obwohl man jedes Recht und die Möglichkeit hat zu bestrafen.

Und heute ist mir, als ich an den Streit dachte eine Sure im Koran eingefallen. Sure Saff, 61. Die Reihen. Ich musste die ersten 4 Verse in einem Kurs auswendig lernen. Und seither rezitiere ich diese 4 Ayat bei jedem Gebet.

„Allah preist (alles), was in den Himmeln und was auf der Erde ist. Und Er ist der Allmächtige und Allweise.O die ihr glaubt, warum sagt ihr, was ihr nicht tut?Welch schwerwiegende Abscheu erregt es bei Allah, daß ihr sagt, was ihr nicht tut.Gewiß, Allah liebt diejenigen, die auf Seinem Weg kämpfen in Reihe, als wären sie ein zusammengefügter Bau.“ (61.1-4)

Ja, ich habe nicht getan, was ich gesagt und geschrieben habe. Ich bin meiner Enttäuschung und Trauer unterlegen. Doch am Abend stand ich neben ihr, mit 350 anderen Geschwistern, wie in Ayat 4 um unseren Verlust zu betrauern. Die nächste Stufe des Halims ist es zu verzeihen – ich muss verzeihen, um die beste Tugend zu erlangen!

Und als ich den Tafsir von M. Asad aufschlug überraschte es mich nicht, dass genau diese Zeilen bezogen sind, auf die Personen in der Schlacht Uhud, die ihren Posten verlassen und dadurch Schaden davon getragen haben. Sie haben sich nicht an ihr Wort gehalten. Die Verbindung die ich im Herzen zwischen den 2 Ayat gemacht habe, die hat Allah schon bestimmt.

Wieso? Weil Verletzung und Trauer, Verlust und Vergebung, Gemeinschaft und Vergebung immer Hand in Hand gehen.  Doch wie definiert Allah Vergebung? Allah ist Haliim! Der der mit der Bestrafung nicht eilt, und verzeiht, obwohl er die Möglichkeit und das Recht dazu hätte. Allah definiert Vergebung genau so. Nicht aber darin, dass man sich weiter der Erinnerung der Verletzung hingeben muss. Als nach der Schlacht von Uhud der Mörder seines Onkels zu ihm kam und dem Islam beitreten wollte, hieß er ihn willkommen, bat ihn aber, ihm fern zu bleiben, weil die Verletzung zu groß ist.

Vergebung bedeutet also, Selbstdisziplin, obwohl man Recht und Möglichkeit hat, nicht aber, die anderen Wange hinhalten. Sondern abschließen, wenn es besser so ist.

Gemeinschaft setzt aber Vergebung voraus. Sonst kann man nicht in einer Reihe stehen und kämpfen und trauern.

Möge Allah uns seinen Namen Haliim in unsere Herzen pflanzen, auf das wir uns durch Vergebung von der Wut erlösen können und möge Allah uns nebeneinander stehen lassen, in einer Reihe. Und uns zu der besten Form unseres Selbst machen, und an unser Wort halten lassen, und milde sein lassen mit den Menschen die uns verletzen.

In Gedenken an die Geschwister die in einer Reihe standen und in dieser Reihe ihr Leben ließen!

Schwester, der Eingang für die Frauen ist durch den Keller.

Ich war vor kurzem mit Freunden in New York. Wir haben uns schon zu Beginn vorgenommen, an dem Freitag das Freitagsgebet, das MuslimInnen am Freitag beten in einer Moschee in New York zu verbringen. Ich habe auf dem Weg zur Moschee zu den Freunden und meinem Partner gesagt: „wetten wir, wenn wir dort ankommen, werden wir Frauen wieder in einem anderen Raum geschickt und wenn wir Glück haben  können wir die Predigt durch einen TV verfolgen.“ Alle drei antworteten mir, dass sie denken, dass das auf keinen Fall vorkommen wird, da die amerikanische Community viel weiter sei als wir.

Aber genau das passierte – wir kamen an, ein Mann, der absolut lieb und herzlich war, wies uns daraufhin, dass wir bitte durch dein kleinen Laden um die Ecke in den Frauenbereich sollen. Das taten wir. Wir hatten keinen Glück – es war ein Mini-Bildschirm.

Die Gemeinschaft war toll – die Menschen herzlich. Absolute Diversität, Herzlichkeit, aber dennoch: da fliegt man ans andere Ende der Welt, uns sieht sich mit den selben Grundproblemen konfontiert wie in Österreich, in Deutschland und in der Türkei?

Für mich spiegelt die Moschee immer die gesellschaftliche Situation wider. Und dort, wo die Frauen in der Moschee verortet werden, werden sie auch im gesellschaftlichen Rahmen verortet, dort wo die Männer verortet werden in der Moschee, werden sie in der Gesellschaft verortet und dort wo die Kinder in der Moschee verortet werden, dort werden sie in der Gesellschaf tund in den gesellschaftlichen Vorstellungen und Normen verortet.

Die Frau hat in der Moschee nicht einmal 1/3 des Raumes, das die Männer haben. Sie haben nicht die selben Ressourcen, die den Männern geboten werden, um das machen zu können, wo sie ihre Interessen verorten. Männer haben meistens eine Kinderfreie-Zone, denn die Kinder sind bei den Müttern. Die Männer haben ihre Ruhe, sie können sich auf ihre Pflichten und ihre Ruhe konzentrieren. Dabei haben sie genug Ressourcen und genug Raum. Der Prediger geht auf ihre Fragen ein, nimmt sie an – sie können aktiv partizipieren.

Lasst uns das auf die Gesellschaft umstülpen:

Frauen, bekommen keinen Raum um sich zu entfalten. Zusätzlich dazu, dass sie keinen Raum haben, haben sie begrenzte bis keine Ressourcen um sich in dem verwirklichen zu können, was sie möchten. Sie sind entweder motiviert genug um zu improvisieren und sich die Ressourcen selbst zu beschaffen, oder sie gehen im Nichts unter. Außerdem haben Frauen nie ihre Ruhe – das Kind wird nach dem klassischen Rollenbild der Frau zugeschoben. Als wäre der Raum nicht schon eng genug, muss sie Frau in dem begrenzten Raum mit begrenzten Ressourcen nicht nur auf sich schauen, sondern hat auch die absolute Verantwortung für ein Lebewesen, das auf sie angewiesen ist.

Sie hat keine Möglichkeit ihre Pflicht in Ruhe zu erfüllen, geschweige denn davon Ruhe für sich selbst zu genießen, sich selbst zu verwirklichen und unabhängig ihrer Rolle als Mutter/Ehefrau/Tochter/Schwester zu existieren. Außerdem hat die Frau keine Möglichkeit aktiv zu partizipieren – sie hat gar keinen Zugang zu den Menschen und Möglichkeiten, die ihr dabei helfen können, die ihr helfen können. Sie kann nur still auf ein kleinen Bildschirm starren und hoffen, dass das Mikro heute funktioniert.

Malcolm X sagte einst etwa, dass man, wenn man sehen möchte in welcher Lage eine Gesellschaft ist schauen muss, in welcher Lage die Frauen dieser Gesellschaft sind.

Und ich komme nicht umhin, mir Gedanken und Sorgen darüber zu machen, in welcher Lage die Frauen in der muslimischen Gesellschaft ist, wenn es in Mini-Österreich genauso schlimm ist wie in einer Moschee in New York City!

Wir müssen beginnen, unsere Lehren in unsere Räume zu tragen, damit sie in den Verstand und dann in das Herz der Menschen fließen – um eine Gesellschaft der Gerechtigkeit zu schaffen!

Wir haben mit der Geschichte Marias das größte Beispiel hierfür. Ihre Geschichte zeigt uns, dass Gott schon lange lange vor uns ein Kampf gegen das Patriarchat geführt hat und das nicht gut heißt, was Männer zum Teil in seinem Namen treiben. Er drängte darauf, dass eine Frau einen Platz im Tempel, in der Moschee und damit in der Gesellschaft bekommt – das war Marias Kampf! Der Kampf gegen das Patriarchat und die Annahme der Männer, dass Frauen dort, also auch in der Gesellschaft keinen Platz haben.

Und Gottes Kampf sollte auch immer unser Kampf sein!

Kommunikation und Selbstdisziplin.

Egal welches Problem ich mit wem auch immer bespreche, als Lösungsvorschlag kommt immer das große Wort: Kommunikation. Tatsächlich habe ich mich lange, viele Jahre damit auseinander gesetzt. Wie kommuniziert man „richtig“? Wie kann ich etwas so formulieren, dass das was ich sagen will bei meinem Gegenüber ankommt ohne dass mein Gegenüber verletzt wird. „Ich-Botschaften“, „aktives Zuhören“ etc. etc. All diese Sachen habe ich nur zu oft gehört. – und versucht sie zu verinnerlichen.

In einem Gespräch ist es kein aktives Überlegen und danach Handeln mehr – das richtige Kommunizieren ist mir auf eine Bewusstseinsebene gelangt, so dass es einfach die Art und Weise ist, wie ich kommuniziere. Und genau deswegen achte ich sehr darauf, wie andere es tun.

Wenn man ein aktiver Mensch ist, hat man immer wieder mit allen möglichen Menschen zu tun. Sehr verschiedene, mit verschiedenen und unterschiedlichen Charakterzügen, doch ein gewisses Maß an Respekt und Wertschätzung ist für mich immer die Mindestvoraussetzung dafür, dass ich mit jemanden kommunizieren und arbeiten kann, bzw. möchte. Leider aber kommt es nicht allzu selten vor, dass Menschen, die auf großen Bühnen stehen und sich als „AktivistInnen“ bezeichnen, keinen Anstand und keinerlei Feingefühl haben, was das Soziale und das damit verbundene „Miteinander sprechen“ anbelangt. In letzter Zeit ist es mir nur all zu oft passiert, dass ich mit offenem Mund am Telefon oder in einem Meeting war, und nicht realisieren konnte, wie Menschen, die von sich behaupten für eine bessere Welt sorgen zu wollen, so miteinander umgehen können.

Ich erinnere mich da an eine Geschichte, die ich oft gehört habe. Ein großer König möchte mit seinem Heer in die Schlacht ziehen. Und der große König wir unterrichtet und ist der Liebling eines Meisters, der weltweit bekannt ist und der allwissende unter den Wissenden ist. Als der König sich mit seinem Heer absprach ob sie die Schlacht lieber in Ort A oder Ort B abhalten sollen, stimmte er selbst für Ort A. Die Mehrheit des Heers war jedoch für B. Und da dieser König demokratisch in diesen Dingen vorging akzeptierte er die Entscheidung seiner Leute. Später kamen diese und sagten, sie seien auch bereit in Ort A zu kämpfen doch er antwortete „wenn ein König seine Rüstung für eine Schlacht angelegt hat, legt er sie nicht mehr ab“.

Sie verloren die Schlacht, wegen vielen Fehlern die das Heer gemacht hat, unter anderem aber auch, weil sie den Nutzen aus Ort A, für den der König war nicht ziehen konnten. Der König verlor in dieser Schlacht 70 seiner liebsten Leute, darunter seinen liebsten Onkel, und auch er selbst wurde schwer verletzt.

Nach der Schlacht, kurz bevor er zu seinem Heer sprechen sollte kam sein Meister zu ihm. Der Meister, der ihn lehrte die beste Version von sich selbst zu sein, ihn unterrichtete in Liebe und in Barmherzigkeit – und trug ihm auf, auch so mit seinem Heer umzugehen. So also sprach der König zu seinem Heer und den Menschen, die all diese Fehler in der Schlacht machten keine bösen oder verletzenden Worte, er war milde mit ihnen.

Denn der Meister, er sagte: Und in Anbetracht der Barmherzigkeit Gottes warst du mild zu ihnen; wärst du aber rauh und harten Herzens gewesen, so wären sie dir davongelaufen. Darum vergib ihnen und bitte für sie um Verzeihung und ziehe sie in der Sache zu Rate; und wenn du entschlossen bist, dann vertrau auf Gott; denn wahrlich, Gott liebt diejenigen, die auf Ihn vertrauen.           [3:159]

Stellt euch vor: jemand ist verantwortlich dafür, dass ihr 70 eurer Liebsten und dazu noch euren Onkel verliert, und ihr schafft er solch eine Selbstdisziplin und einen edlen Charakter an den Tag zu legen, diese Menschen nicht zur Sau zu machen. Ich für meinen Teil würde sie glaube ich von einer Wand an die andere klatschen. Ein Mensch, der sich in solch einer Situation beherrschen kann, Herr über sich selbst sein kann, und mit seinen Worten gezügelt umgehen kann, was für ein Mensch ist das?

Ich denke immer an diese Geschichte, wenn mir danach ist einen Menschen eben von Wand zu Wand zu klatschen, aber auch, wenn Menschen mich von Wand zu Wand klatschen und sich selbst als „Weltverbesserer“ und „Statthalter auf Erden“ sehen.

Wahre Tugend bedeutet, sich in Zeiten in denen es unmöglich scheint zusammenreißen zu können und niemanden zu verletzen.

Ich ziehe für mich 3 Lehren aus dieser Geschichte:

Eine demokratisch getroffene Entscheidung muss respektiert werden. Dazu gehört auch, die eventuellen Konsequenzen zu tragen.

  • Der Mensch ist zu so viel mehr Selbstdisziplin in der Lage, als er denkt.
  • Und zu Letzt: das milde Wort wiegt mehr als das raue Wort und wird dazu führen, dass man Menschen, die bereit sind mit einem zu kämpfen, nicht verliert.

Wieso Frauen keine Engel sind, man sie aber dennoch nicht schlagen darf!

Vor einiger Zeit bin ich in meinem Wohngebäude Zeugin davon geworden, wie ein Paar im Haus einen Streit hatte. Ich hatte meine Fenster geschlossen, dennoch war der Streit so laut, dass man alles mitbekommen hat. Es sind die Fetzen geflogen. Man hat die Frau laut weinen hören, den Mann schreien. Ständig ist etwas zu Bruch gegangen. Plötzlich schrie die Frau, dass sie das Haus verlassen werde. Er schrie zurück, dass sie das nicht wagen soll, und sicher nicht gehen wird. Man hörte Türen auf-­‐ und zuknallen. Plötzlich, die Frau vor Schmerzen schreien und den Mann nur „du wirst nicht gehen“ schreien. Irgendwann winselte die Frau nur.

Ich wollte die Polizei rufen, doch wusste ich nicht in welcher der zig-­‐Wohnungen das stattfindet. Also habe ich einige FreundInnen schnell gefragt was ich tun soll. Plötzlich schrie der Mann: „ich gehe!“ Man hörte die Tür knallen, die Frau winseln, und dann Stille. Kurze Zeit später kam er zurück und sie begannen sich auszusprechen. Fragt mich nicht, wieso sie das bei offenem Fenster/aus dem Balkon(?) machen. Ich konnte, bei gekipptem Fenster alles mithören.

Zusammenfassung der Sache: der Mann hat ihr versprochen etwas zu tun und hat es nicht getan. Etwas sehr Essentielles. Die Frau ist traurig darüber, dass der Mann emotional etwas „unreif“ ist. Sie fühlt sich weder geliebt noch ernst genommen. Man hört den Mann nur leise „ja, es tut mir leid” sagen. Sie spricht mit ihm, sagt ihm, was ihr an der Beziehung nicht gefällt. Weint. Er ist still, obwohl sie ihn mehrmals bittet etwas zu sagen.

Meine FreundInnen schreiben mir im gleichen Moment, dass ich die Polizei rufen soll. Ich schreibe, er sei weg und wieder da und sie sprechen. Sie sei traurig darüber,…

Die erste Antwort die ich (von einem männlichen Kollegen) bekomme: „ja klar, und die Frau ist ein Engel.“ Ein anderer schreibt, dass er wohl gleich „gelyncht“ wird.

Wenn ich also nun antworten würde, würde ich ihn lächerlicherweise lynchen? Das erinnert mich etwas an rassistische Menschen, die etwas rassistisches sagen und direkt danach sagen: „oh, und gleich werden wir fertig gemacht, und sind Rassisten.“

Für mich ist das immer ein deutliches Zeichen davon, dass die Menschen die Wichtigkeit solcher Thematiken nicht wahrhaben wollen oder können, meist, weil sie eben nicht betroffen davon sind, wie auch meine Kollegen hier nicht von Gewalt in der Beziehung betroffen sind. Und nein, Frauen sind bei Gott keine Engel. Sie sind genauso fehlerfrei wie es Männer sind, und genauso fehlerhaft wie Männer es sind.

Dass eine Frau aber kein Engel ist legitimiert keine Gewalt an ihr! Das ist dieselbe Argumentation wie Rassisten es bringen und den Grund für Rassismus den Opfern von Rassismus zuschreiben, statt den Rassisten selbst.

Ein fehlerhaftes Verhalten legitimiert nicht ein noch fehlerhafteres Verhalten. Vor allem, wenn das Machtverhältnis so unausgewogen ist.

Und noch weniger, wenn es sich um Gewalt handelt.

Vor kurzem noch bin ich mit einer Freundin auf der Straße dazwischen gegangen, als ein Mann seine Freundin auf offener Straße geschlagen hat. Sagen wir, dass die Frau davor unerträglich war. Um mit einem unreflektierten männlichen Blickwinkel auf die Sache zu blicken, folgendes Szenario: die Frau war keine Sekunde still, hat ihm den Kopf mit Reden und Weinen und Schreien „gef*ckt“ und der Mann ist daraufhin ausgerastet und hat sie mehrmals geschlagen. Sagen wir, dass was bei meinen Nachbarn genauso. Ist die Gewalt dann legitim? Kann der Mann dann nicht besser als die Frau sein, in dem Moment? Oder trifft ihn am Ende eh keine Schuld, denn sie ist ja eh auch kein Engel.

Gewalt an Frauen ist genauso Realität wie Rassismus und andere Themen, gegen die wir uns täglich auflehnen und unser etwas aufreißen, damit es besser wird. Es ist enttäuschend, wenn Menschen, die gebildet sind, scheinbar reflektiert, nicht über ihre eigenen Privilegien reflektieren können, die eben in diesem Fall das Geschlecht ist.

Nachtrag: seit kurzer Zeit gibt es in Deutschland nun das Hilfetelefon für Frauen die von Gewalt betroffen sind. Hilfetelefon! Wenn ihr hier drauf klickt, landet ihr auf der Seite. Wenn ihr davon betroffen seid, holt euch Hilfe – habt keine Angst! 

Das Seelenstreicheln der weißen Mächtigen.

Kennt ihr das? Wenn ihr von KommilitonInnen, ProfessorInnen, KollegInnen und Weitere anders beäugt werdet, eine andere Mimik, andere Gestik herrscht, wenn sie mit euch umgehen und kommunizieren, als wenn sie mit der weißen „Rebecca“ die, die Selbe Stellung hat wie einer selbst, umgehen und kommunizieren? Wenn ihr ihre „weiße Arroganz“ aus 100 km Entfernung riechen kannst? Kennt ihr das, wenn sie über euch sprechen, wenn ihr selbst im selben Raum sitzt und euch dabei nicht beim Namen nennen wenn sie über euch sprechen, sondern mit den Augen oder Händen in eure Richtung gestikulieren – und das einfach nur abfällig ist weil sie es auf eine abfällige Art und Weise tun?

Kennt ihr das, wenn ihr genau wisst, und fühlt und 100% überzeugt davon seid, dass diese Personen nur so mit euch umgehen, weil ihr ein Kopftuch tragt oder ein Bart oder eure usprüngliche Herkunft (in ihren Augen) nicht Deutsch oder Österreichisch ist, und merkt, dass sie auch nicht mal ansatzweise mit ihren weißen KollegInnen/StudentInnen usw. so umgehen und auch nicht so umgehen trauen würden?

Ich glaube manchmal, dass diese Menschen es einfach nicht ertragen können, dass man selbst mit ihnen als akademische, professionelle Person, die auf Papier auf der gleichen Stelle – auf Augenhöhe mit ihnen steht, am ein und denselben Tisch sitze. Ich glaube ihr Ego erträgt das nicht.

Wenn ich zum Beispiel sehe, dass in der Flüchtlingsarbeit einige Menschen, in hohen Stellungen genauso mit den muslimischen KollegInnen (mit „Migrationshintergrund“*) umgehen, wie sie mit ihren geflüchteten Klienten umgehen.

Und es dann erschreckt: weil wenn sie sich schon einer professionellen Person wegen ihrer Herkunft überlegen fühlen, (woher dieses Gefühl auch immer rühren mag) – wie fühlen sie sich dann tief im inneren gegenüber den geflüchteten Menschen die sie betreuen? Mächtig? Am längeren Hebel sitzend? Ergötzen sie sich daran, streicheln sie ihre Ego damit, dass sie so viel Macht haben und das unter dem Deckmantel der linken Hilfsbereitschaft?

Und da ist schon das nächste Problem: diese Menschen denken, dass sie nicht anfällig für Rassismusausübung und Diskriminierungsausübungen sind. Weil sie ihre auf einem weißen hohen Ross sitzende Seele und Ego damit streicheln, dass sie ja den „ach so armen armen hilfebedürftigen Flüchtlingen/Schwachen“ helfen, oder am Wochenende mit dem armen unterzivilisierten „Türkenkindern“ Fußball spielen. Oder Kleidung an geflüchtete Menschen spenden oder gar einen Zuhause aufgenommen haben.

Sobald aber eine/r von diesen irgendwann am selben Tisch mit ihnen sitzt, auf Augenhöhe, können sie das nicht mehr ertragen. Dann kommen die Gestiken, die Mimiken, das nicht ins Gesicht schauen, wenn sie mit einem reden, das, in der 3- Person von einem reden, obwohl man im selben Raum sitzt. Das unterschwellige Abstufen deiner Person, deiner Leistung und der Identität. Das unterschwellige Heraufstufen seiner Selbst.

Ich glaube, das ist eine andere Art der Machtausübung. Dieses Seelenstreicheln dieser weißen mächtigen Menschen. Dieses besser fühlen, durch das Elend anderer, durch das Schwachsein anderer und der Macht, die in ihren Händen liegt.

Edward Said sagt in seinem Buch Orientalismus, dass die weißen Mächtigen, das „Andere“ so konstruieren wie sie sie eben konstruieren, um anhand des „Anderen“ das bessere „Ich“ konstruieren zu können.

So ist das mit diesen Menschen auch. Sie konstruieren das Bild eines hilfebedürftigen, von ihnen abhängigen geflüchteten Menschen (das Andere) um das Ich von einem mächtigen, hilfegebenden, tollen Ich zu haben -> Seelenstreicheln eben! Man könnte es auch Seelenporno nennen. Wieso? Das könnt ihr euch selbst denken. Weiter konturieren sie das Bild einer doch nicht so professionellen Professionellen, (da die Professionalität ja eh konstant mit der Größe/Länge des Kopftuchs/Barts abnimmt) und benehmen sich auch dementsprechend. Dadurch ist das tolle überlegene „Ich“ nicht gefährdet, weil das Bild des „Anderen“ noch nicht so krass umgeändert wurde durch die Bildung, Sprache, Auftreten etc., dass das nicht mehr ins Schema passt.

Ich empfehle diesen Menschen einfach nur dass sie sich reflektieren, dass sie nicht sicher vor rassistischen Gedanken und/oder Handlungen sind, nur weil sie mit geflüchteten Menschen arbeiten oder sonst wo in einem sozialen Bereich mit ausländischen/weniger gebildeten Menschen mMh.

Und wenn sie diese Reflexion und die darauf folgenden Handlungen nicht tun können, dann, meine lieben an ihrer Macht so sehr hängenden weißen Seelen, die so gerne ihre Seele mit den Schwächeren streicheln – lasst es einfach! Und seht ein, dass ihr kein Stück besser seid als jene über die ihr spricht, wenn ihr an euren möchtegern-sozialistisch-linken-Stammtisch sitzt!