Tag der Bildung.

Heute ist Tag der Bildung. Eigentlich muss ich für meine Modulprüfung am Samstag lernen, und wollte nichts schreiben. Hab meine Meinung geändert. Also nur kurz. 

Meine erste Hausarbeit in meinem Pädagogik Studium schrieb ich über: „Die Auswirkung des Migrationshintergrunds auf den Bildungsweg und den Schulabschluss von Kindern mit Migrationshintergrund.“ Heute würde ich es anders benennen, aber wie gesagt, war meine erste Hausarbeit. Da heute der Tag der Bildung ist möchte ich euch nur ein bis zwei Ergebnisse aus der 3. World Vision Kinderstudie vorstellen, die sich unter anderem genau mit diesem Thema beschäftigte. 

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Abbildungsquelle: Word Vision Institut. (Studie 2013) {08.12.2016}

Aus dieser Grafik geht klar hervor, dass Kinder, die zur unteren Bildungsschicht gehören viel weniger ein Abitur anstreben, als Kinder die zur oberen Bildungsschicht gehören. Wenn man sich näher mit der Studie befasst, weiß man, dass viele Familien mit Migrationshintergrund eher zur unteren Bildungsschicht gehören, als zur mittleren oder zur oberen. 

Ein weiteres Ergebnis, nach dem Statischen Bundesamt: Datenreport 2006  besagt, dass Kinder, 

ohne Hauptschulabschluss: 7,4% deutsche Kinder // 18,1% ausländische Kinder,

mit Hauptschulabschluss: 23,5% deutsche Kinder // 40,9% ausländische Kinder,

mit Abitur: 24,3% deutsche Kinder // 8,9% ausländische Kinder sind.  (vgl. World Vision Studie, 2013)

Das sind nur wenige wichtige Zahlen von vielen wichtigen Zahlen die aufzeigen, dass Bildungsgleichheit und Chancengleichheit noch nicht auf dem Niveau sind, wie sie  sein sollten. Doch wir sehen Veränderung, und das macht Mut. Wir sehen aber auch negative Beispiele, wie zum Beispiel, dass ein Kind oder Jugendlicher „mit Mh“ genau weiß, dass es mindestens doppelt so viel leisten muss, als ein „deutsches Kind“ um das Gleiche zu erreichen. Auch das ist ein großes Problem in unserem Bildungssystem. Was ist mit -das- gemeint? Ich rede nicht groß drum herum. Ich meine Rassismus. 

Alles Gute zum Tag der Bildung. Auf dass wir unsere Schwächen abschaffen und unsere Stärken verfestigen. 

Und in diesem Sinne: Liebe Grüße an meine ganzen LehrerInnen, die mich immer fertig gemacht haben, dass ich es sowieso nie schaffen würde, und das schon auf der Hauptschule. Ich habe meinen BA in Pädagogik und mache gerade meinen Master – so viel dazu! Und danke an Jene, die an mich glaubten – ihr seid echt cool!

Nachtrag: Wieso ich den Titel der Hausarbeit, den meine Dozentin damals aber toll fande, heute nicht mehr so nennen würde. Ich glaube nicht dass der Mh eine Auswirkung auf die Schulkarriere hat. Ich glaube, dass es viele verschiedene Faktoren sind, die sich darauf auswirken und die durch gute PädagogInnen und mehr Zeit für eben diese PädagogInnen gut aufgefangen werden könnten. Zudem ist es, vor allem für Betroffene, kein großes Geheimnis mehr, dass Rassismus ein großer Stein in der Bildungskarriere von Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen ist!

Unangebrachte Sensibilität.

Ich bin dafür bekannt, dass ich meine Meinung nicht zurück halte, dass ich kein Problem damit habe, mein Denken laut auszusprechen, auch wenn es dem Gegenüber zuwider ist oder ich genau weiß, dass meine Meinung nicht gleich der Mehrheitsmeinung entspricht. Ich kenne weiter auch viele starke Frauen, die sich u.a. in Frauenrechtlichen und antimuslimischen Rassismus – Szenen bewegen und hier eine starke Stimme haben.

Oft ist mir aufgefallen, dass sobald eine Frau laut ihre Meinung sagt, vor allem wenn es um Rassismus und Diskriminierung geht, die Menschen total erschrocken sind und absolut nicht damit umgehen können, dass Frau ihnen die Meinung geigt, ohne groß darauf zu achten besonders diplomatisch oder blumenhaft freundlich zu sein.

In letzter Zeit beschäftige ich mich mehr auch theoretisch mit dem Thema Rassismus und Diskriminierung, und komme eben deshalb in Kreise und Gespräche, in denen das Thema diskutiert wird. Und immer ist man erschrocken, wenn ich die Meinung geige, immer verlangt man von mir, und auch anderen AktivistInnen eine besondere Art der Sensibilität und der Rücksicht.

Ich verstehe das, ich kann das absolut nachvollziehen, wenn man nicht zusammen geschissen werden möchte und nicht alles an den Kopf geschmissen haben möchte was im Raum steht, doch diese Art von Schutzbedürfnis finde ich absolut unangebracht.

Ich frage mich dann nur, wieso ich das was ich denke, und das was richtig ist (siehe vorherigen Text) zurück halten muss, nur damit sich die Gegenüber Partei nicht angegriffen, verletzt oder vor den Kopf gestoßen fühlt. Wieso muss ich, oder müssen wir, die nicht-Betroffenen mit Samthandschuhen anfassen, wenn es darum geht aufzuklären und aufzuzeigen, welches Ausmaß der Rassismus und die Diskriminierung in Europa angenommen haben.

Haben die vielen vielen viiiiielen Menschen die mir gegenüber rassistisch und diskriminierend gewesen sind, sich auch nur eine Sekunde gefragt: „Tu ich dem Mädchen damit weh?, Verletze ich sie?, Gehe ich zu weit?, Halte ich meine Grenzen ein? Kommt sie damit klar?“ Ich denke nicht. Nur ein einziges Beispiel von vielen: Meine „Bio-Deutsche“ Lehrerin in der 6 Klasse tätigt nach meinem Betreten der Klasse einen Satz in dem die zwei Worte „scheiß Kopftuch“ drin vorkamen. Ich war damals 11 Jahre alt glaube ich. Hat diese Lehrerin sich wohl nur eine Sekunde gefragt, was das mit mir anstellt und anrichtet, wenn sie als Pädagogin, als Vorbildfunktion und als viel ältere Dame so etwas sagt? Ihr war es scheiß egal, das ich nach der Stunde weinend Nachhause gerannt bin. Oder hat sich der Herr der mir auf der Straße versuchte das Tuch runter zu reißen, auch nur eine Sekunde gedacht, dass mich das in meiner Würde verletzen könnte und kann? Nein! Nein! Nein! Nein! Und Nein zu allen anderen Fällen die ich oder andere Menschen die Rassismus erlebt haben! Haben sie nicht. Sie haben sich keine Sekunde gedacht, dass man ja sensibler oder rücksichtsvoller handeln könnte. Sie haben sich keine Sekunde zur Rechenschaft gezogen! 

Wieso soll ich dann genau diesen Menschen gegenüber immer soo sensibel sein? Wenn ich nicht klar sagen kann was Sache ist, wenn ich jedes meiner Worte bedenken und überdenken muss, damit sich auch ja niemand angegriffen fühlt, wie soll ich dann meine aktivistische Arbeit betreiben, die Veränderung hervor rufen soll im besten Falle? Wie soll das bitte gehen? Veränderung ist kein bequemer Prozess. Veränderung ist ein Kampf, Veränderung tut weh und Veränderung braucht Reflexion, Selbstreflexion – und das ist nie einfach in unserer Gesellschaft. 

Ich denke es schadet keinem, aber auch wirklich keiner einzelnen Person mal knall hart aug gezeigt zu bekommen wie unsere Alltagsrealität in verschiedenen Punkten mittlerweile in Deutschland und Österreich aussieht. Und das kann nur ankommen, wenn jeder einmal aus seiner Komfortzone heraus tritt und bereit ist, auch mal einzustecken und selbstkritisch zu sein, sich von seinem hohen Ross runter zu begeben. 

„Was Diskriminierung ist, bestimme ich!“

Wenn Betroffene von Rassismus über ihre Rassismuserfahrungen sprechen, sind die Reaktionen der ZuhörerInnen immer sehr unterschiedlich. Einige sind entsetzt, und können gar nicht glauben, dass das Erzählte wahr ist. Bei diesen denke ich mir oft: lauft ihr blind und taub durch die Welt? Wieso ist das so, frage ich mich. 
Die andere Seite sind die, hm, keine Ahnung ich habe jetzt eine Bezeichnung für diese, aber es sind diejenigen die entweder Entschuldigungen für die Tat suchen oder sie versuchen zu verharmlosen. Oft wollen sie auch erklären, dass das passierte gar kein Rassismus oder keine Diskriminierung gewesen sei, sondern was auch immer was. „Ich meinte es nur gut!“, „Ich habe nur Interesse gezeigt!“, sind Sätze die ich oft höre. 
Und da denke ich mir dann: wer definiert was rassistisch oder/und diskriminierend ist in einer Situation, in einem Moment oder ganz allgemein? Wer bestimmt, ob das Geschehene nun Rassismus oder Diskriminierung war oder nicht.
Die Autorin Birgit Rommelspaccher erklärt das gut, in dem sie zwischen intentionalen und nicht intendierten Rassismus unterscheidet und dies weiter ausführt mit:

Auf der individuellen Ebene bezieht sich der intentionale Rassismus auf eine bewusste Herabsetzung der Anderen, während der nicht intendierte Rassismus auf ungewollte Weise diese Wirkung entfaltet. Das ist für die Beteiligten in der dominanten Position oft schwer zu verstehen, denn ihrer Meinung nach liegt nur dann Diskriminierung vor, wenn sie jemand auch verletzen und herabsetzen wollen. Das heißt für sie ist die Absicht entscheidend. Aber die Folge einer Handlung muss nicht mit ihrer Intention zusammenfallen. So kann auch wohlmeinendes Verhalten diskriminieren, z.B. wenn man eine Person, die vom Aussehen her nicht einem Normdeutschen entspricht, dafür lobt, wie gut sie deutsch spricht. Man glaubt damit positive Anerkennung auszudrücken, tatsächlich aber weist man damit auf den Bruch der Selbstverständlichkeit hin.  {….} ..wenn dieses „Lob“ zurückgewiesen wird, macht sich bei den Mehrheitsangehörigen oft Empörung breit, man habe es doch gut gemeint. Dem Anderen wird gewissermaßen nicht erlaubt, dies als eine Diskriminierung zu empfinden. Was Diskriminierung ist, bestimme ich! Mit diesem Motto wird Anerkennung verweigert. Dem Anderen wird eine eigene Perspektive nicht zugestanden, womit wiederum die geringere Bedeutung des Anderen unterstrichen, also seine geringere symbolische Macht bestätigt wird.“ (Rommelspaccher (2009), S. 31/32 {Hervorhebungen durch mich})

Somit ist also das Empfinden der oder des Betroffenen richtiger und anzunehmender als desjenigen, der/die meint er/sie hätte die Deutungshoheit darüber – aber sie eben nicht hat! Das drumherum Reden und eine „Ausrede“ suchen bringt in dem Zusammenhang nicht viel. Die Person, die darauf aufmerksam gemacht wird, dass das Gesagte oder Getane rassistisch oder diskriminierend war, oder so empfunden wurde,  sollte einfach versuchen zurück zu stecken, und einmal zu akzeptieren, dass die Meinung des Selbst nicht die Wichtigste und die Bedeutenste ist, sondern, dass Betroffene darüber entscheiden ob sie nun rassistisch oder diskriminierend behandelt wurden, ob sie ausgegrenzt wurden, egal wie es gemeint war. Die Absicht hinter der Tat tut wenig zur Sache, wenn sie beim Gegenüber schaden anrichtet! 

Die Grenzen meiner Sprache.

Ich erinnere mich zurück: als ich 5 war und noch in den Kindergarten ging, gab es eine, Abend im Halbjahr einen Elternsprechtag. Nach dem Abend sind meine Eltern immer zu mir und zu meinen Geschwistern gekommen und haben so erzählt, was die ErzieherInnen denn so gesagt haben. Auch als Kinder haben meine Eltern mich und meine Geschwister auch in solchen Angelegenheiten sehr ernst genommen.

Meine Mutter sagte: „Esim, Frau Schneider meinte, dass du eines der besten Kinder in Sache Sprache bist! Dein Deutsch sei wirklich sehr gut. Aber die Erzieherinnen haben uns empfohlen auch Zuhause nur Deutsch mit euch zu sprechen.“ Ich habe als Kind mit Migrationshintergrund die beste Sprache in der Gruppe damals, dennoch war die Empfehlung der Erzieherinnen an meine Mutter, sie solle nur noch Deutsch mit uns sprechen? Obwohl meine Mutter nur mäßig Deutsch gesprochen hatte damals. Heute, selbst als Pädagogin kann ich sagen, wie dumm diese Empfehlung und vor allem wie kontraproduktiv für die Sprachentwicklung sie war. Doch darüber könnte ich einen extra Text zu schreiben. 

Dennoch, noch heute ist in der Pädagogik, aber auch und vor allem in der Politik die Sprache ein oft diskutiertes Thema und ebenso meiner Meinung nach eine Methode der Politik und in der Pädagogik. Sprache wird nicht nur genutzt um zu kommunizieren, sondern ist auch ein Mittel der Zugehörigkeit, der Identität und auch der Selbstbestimmung!

Meine Eltern sind kurdischer Abstammung, aber sie haben nie kurdisch mit uns gesprochen. Ich spreche als eine Frau mit kurdischer Herkunft also kein Wort kurdisch. Das war damals einfach so als ich ein Kind war. Man hat halt einfach kein kurdisch gesprochen und wenn dann nur leise und nicht öffentlich. Damals gilt: wenn man selbst in der Türkei, die Heimat vieler Kurden und Kurdinnen nicht kurdisch spricht wieso dann in Deutschland? Man hat Türkisch gesprochen. Und selbst das haben meine Eltern nicht immer mit uns gesprochen.

Ich habe mir heute das Video angeschaut, wie der Sänger Ahmet Kaya aus einer Veranstaltung gejagt wurde, weil er ankündigte in seinem nächsten Album ein kurdisches Lied singen zu wollen und dazu auch ein Video drehen zu wollen. Nach dem er aus dem Saal fast schon fliehen muss, mit Gabeln und Messern beschmissen wurde, wurde danach im ganzen Land gegen ihn gehetzt, so dass er ins Ausland flüchten musste, nach Paris, wo er nach schon einem Jahr an gebrochenem Herzen stirbt, wie man heute über ihn sagt.

Sprache ist immer ein Mittel um zu kommunizieren, auch ein Mittel der Stärke, der Stimme, der Zusammengehörigkeit oder auch Abgrenzung.

Ich frage mich, was haben die Menschen davon, was die PolitikerInnen, was die PädagogInnen, wenn ein Kurde in der Türkei kein kurdisch sprechen soll, wenn ich in Deutschland nicht türkisch sprechen soll, wo doch sowohl Ahmet Kayas Türkisch als auch mein Deutsch perfekt war und ist?

Abgrenzung geschieht doch oft durch kleine Dinge die nicht im Vordergrund stehen. Auf die niemand achtet, wenn er oder sie nicht selbst davon betroffen ist.
Abgrenzung und auch Unterdrückung geschieht dadurch, dass man Menschen ihre Sprache verbietet und somit die Stimme, ihre Stimme, ihre Identität und weitere Zugehörigkeit(en) verweigert und abspricht!

„Dilimin sınırları, dünyamın sınırlarıdır.“* hat Wittgenstein einmal gesagt. So ist jedes Verbot oder jede Eingrenzung doch auch eine Einengung im Leben, im Werden und im Sein und eine Beschränkung des Horizontes, der Welt in der man lebt und leben möchte.

*„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ -Ludwig
Wittgenstein (1918)

Ein weiterer Text zu dieser Thematik von mir: Warum spreche ich nicht cok gut Türkce?

Kältebus/Kältetelefon. Hilf Menschen um dich herum!

Vor einigen Tagen wollten mein Mann und ich Freunde am Abend besuchen. Seit Tagen ist es in Wien eiskalt.
Als wir aus der Bahn ausgestiegen sind haben wir eine Frau gesehen, die auf der Bank an der Haltestelle eingewickelt in Decken schlief. Einige Tage davor habe ich vom „Kältetelefon“ der Caritas Wien gelesen. Als mein Mann und ich noch darüber sprachen ob wir direkt dort anrufen sollten oder die Frau erst einmal ansprechen sollten kam schon die nächste Bahn. Der Fahrer der Bahn stieg aus und ging direkt zur Frau. Er redete auf sie ein, doch sie reagierte kaum – sie wollte keine Hilfe. Der Fahrer fragte sie, ob er ihr helfen könne, sie irgendwo hin bringen oder jemanden anrufen solle. Als wir ihn fragten, ob wir das Kältetelefon anrufen sollen meinte er: „Ja bitte, sie liegt hier schon seit 4 Stunden. Und ich kennen keine Stelle oder etwas wo ich anrufen könnte.“ Er war unglaublich dankbar, dass wir etwas kannten, wohin wir uns wenden konnten. Er verabschiedete sich dann mit dem Friedensgruß. Wir riefen das Telefon an, die Sozialarbeiterin meinte sie schickt jemanden vorbei. Die Frau hatte das gehört und packte leider ihre Sachen zusammen und ging. Die Sozialarbeiterin meinte aber, das sei normal, sie würde wieder kommen, und bedankte sich.

Also, wenn ihr jemanden auf der Straße seht, die oder der keinen Platz zu schlafen hat, egal ob in Wien oder irgendwo in Deutschland:
seit dem 1.11. bis März laufen verschiedene Aktionen wie das Kältetelefon in Österreich oder in Deutschland der Kältebus. Ruft dort an. Ihr müsst nicht mehr tun. Ihr müsst nicht dort warten oder selbst anpacken wenn ihr nicht möchtet – nur anrufen!

Die Nummer des Kältetelefon in Wien ist die: 0043 1-480 45 53
Die Nummer für den Kältebus in Berlin ist die: 0049 178 523 58-38
Für alle anderen Stände braucht ihr nur 30 Sekunden auf Google suchen und ihr habt die Nummer die ihr braucht. 

Es gibt neben dem Kältetelefon und dem Kältebus auch andere Initiativen wie Anlaufstellen, wo diese Menschen übernachten können oder ähnliche Aktionen. Informiert euch einfach, was es in eurer Stadt gibt, speichert die Nummer der Anlaufstelle ab und übersieht Menschen nicht, die keine Heizung und kein warmes zu Hause haben, so wie wir, Gott sei Dank, eines haben. 🙂 

#storytime

Ich treibe mich ja oft auf YouTube rum. Zum Einen weil es einige (wenige!) YoutuberInnen gibt die ich sinnvoll und cool finde und sie gerne verfolge, zum Anderen um einfach zu sehen, was sich vor allem junge Mädchen so auf YouTube anschauen.

Und hinter ein relativ neues Konzept auf YT bin ich immer noch nicht so recht gestiegen. #storytime nennt sich das.
Da erzählen YouTuberInnen schlimme, dramatische, traumatische Geschichten aus ihrem Leben, empören sich, weinen, schreien und geben die tiefsten Tiefen ihrer Seele jedem zum Reinschauen in die Finger.

Geschichten wie: Als mein Freund starb, Ich wurde vergewaltigt, Ich wurde geschlagen, Papa gestorben, Opas Tod hat mich gerettet,…

Ich frag mich, was das bringen soll. Man könnte jetzt mit dem Argument kommen, dass die Jugendlichen denen etwas ähnliches passiert ist, dann offener und besser damit umgehen können und/oder sensibler werden. Das denke ich aber nicht.
Ich finde allgemein diese Entwicklung auf Sozialen Plattformen in Richtung immer extremer, immer sensationeller wirklich wirklich gefährlich!

Vielleicht sollten wir uns öfter damit auseinander setzen was unsere Kinder und Jugendlichen sich im 5 Minuten Takt so rein ziehen und mit ihnen darüber sprechen!

Denn wenn eine Youtuberin ca. 20.000 Abos hat, und von diesen #storytimes lebt, da ein Titel mit „Opas Tod hat mir das Leben gerettet“ viele Klicks, in diesem Fall ca. 800.000 bringt, dann soll sie mir nicht erzählen, es habe einen sozialen oder pädagogischen Mehrwert. Und auch die Youtuber: eure Zuschauer sind keine Therapeuten. Wenn ihr Dinge verarbeiten müsst, die euch wirklich scheiße geprägt haben, dann sucht euch professionelle Hilfe. Das 14 Jährige Mädchen, das vor dem PC sitzt und dank euch schon aussieht, sich kleidet und schminkt, gibt, redet wie eine 20 Jährige mit Minderwertigkeitskomplexen wird euch da nicht viel weiter helfen können.

Natürlich, die Klicks eurem Konto aber schon.

„#storytime“ weiterlesen

Eine Erinnerung für anstrengende Zeiten.

Vor kurzem habe ich den Text „Ich bin müde. Ich möchte Sein“ geschrieben. Der Text kam gut an. Ich habe viele Nachrichten von MuslimInnen und Nicht-MuslimInnen erhalten, die die selben Gefühle und Gedanken teilten und teilen.  Dann habe ich mich gefragt, was ich dagegen tun kann. Gegen dieses müde-sein und das erschöpft-sein, und was wohl Gott im Koran zu und über solche Situationen sagt. Ich bin froh darüber, dass ich den Mut hatte es auszusprechen, dass ich kurz nicht mehr konnte und auch nicht mehr wollte. Ich bin aber noch glücklicher darüber, dass ich den Koran um eine Lösung und um Aufklärung bat, und er sie mir gab, welches ich nun mit euch teilen möchte. 

Es ging darum, dass Angriffe, Beleidigungen in der Gesellschaft gegenüber MuslimInnen immer mehr steigen und somit auch die Trauer und evtl. und verständlicherweise auch die Wut. 

Gott sagt klar im Koran 3:186, dass MuslimInnen an ihrem Gut und mit sich selber, also durch Angriffe, Beleidigungen etc. an sich selbst geprüft werden. Er erwähnt sogar explizit die „verletzenden Äußerungen“ gegenüber den MuslimInnen. Kurz darauf rät er als Reaktion darauf mit: Sabr und Taqwa. Also damit, dass der Mensch aktiv geduldig sein soll. Gott spricht nicht davon, dass still über sich ergehen zu lassen und in seinem Kämmerchen zu sitzen und darauf zu warten, dass es „besser“ wird, wie viele Sabr, also Geduld übersetzen würden. Sabr bedeutet viel mehr noch weiter und vor allem auch gegenüber den diskriminierenden Menschen vorbildhaft und standhaft in seiner Arbeit für das Gute weiterzuarbeiten und gegen den Wind zu halten, mit Taqwa, also gottesfürchtig und verantwortungsbewusst für MuslimInnen und die Gesellschaft in der man lebt! Gegenprovokationen oder gar Angriffe helfen wenig und das lehnt der Koran klar ab! 

Gott sagt klar im Koran 6:33/34, dass Er sehr wohl weiß, dass das Getane und das Gesagte von diskriminierenden und rassistischen Menschen  einen traurig machen und es weh tut. Gott ist einfühlsam und verständnisvoll – Er vergisst nicht, Er verschließt nicht die Augen, Er redet nicht klein. Doch auch hier, nach der Erwähnung vieler Lasten gegenüber der MuslimInnen ruft Er zur Geduld auf. Standhaft und friedlich sollen die MuslimInnen mit solchen Situationen umgehen und sich von vorbildhaften, islamischen Verhalten nicht abbringen lassen. Obwohl viele Menschen gegen Gott selbst arbeiten und Ihn „hassen“ ist er der Allvergebende und gibt den Menschen immer noch, was sie brauchen. Gott und der Prophet dienen uns also hier als Model. Wenn Gott und der Prophet weiterhin gut und vergebend sein konnten und Gott es ist, wieso nicht wir auch? 

15:95-99 spricht er von einem Gefühl das ich sehr oft in solchen Situationen habe. Die Beklommenheit der Brust! Unglaublich. Auch hier noch einmal Trost, Verständnis. Gott weiß, dass du leidest. Doch er schenkt dir Trost im Gebet und im Niederwerfen! Was bedeutet das? Gott ruft zum Niederwerfen auf? Also, überdenke deine Situation! Bist du wirklich so schwach? Oder definierst du das Wort schwach nur nicht im koranischen Kontext? Ist ein Mensch, der den Trost im Niederwerfen vor Gott findet, und sich nur vor Ihm niederwirft wirklich schwach? Schöpfe deine Kraft von Ihm, und setz dich weiter ein für das Gute und den Frieden! 

Gott rät klar dazu, sich nicht  provozieren zu lassen 25:63, 4:140, 6:68, in dem man in einem Kreis in dem es einem zu viel wird einfach kurz oder ganz den Raum verlässt um Streit zu verhindern, und er gibt klar vor nicht zu provozieren und nicht niveaulos zu werden! Er sagt klar und deutlich, dass man sich zurück halten soll, nicht beleidigend werden soll und sich nicht lustig machen soll  6:108. 

Auch im Leben des Propheten finden wir zahlreiche Beispiele in denen der Prophet geduldig, gutmütig und immer vorbildhaft auch mit schwierigen, beleidigenden Personen umgegangen ist. Was mich beeindruckt hat, ist die Macht der Worte, die zur damaligen Zeit verbreitet war. Man hat seinem Unmut mit Worten Ausdruck verliehen und ist so aktiv geworden um auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen. Durch Dichtung zum Beispiel. Auch heute, vielleicht besser als nie zuvor, ist dies möglich! 

Wichtig ist, schwach und stark, hoch und niedrig für sich neu zu definieren. Sich nicht schwach oder als Opfer zu fühlen oder anzusehen, denn das ist man nicht als aktiver Mensch der sich immer und überall für das Gute einsetzt mit seinen eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten! Ein Muslim ist ein Mensch, der für das Gute einsteht. Aktiv! Wie Gott es auch Ayyoub befohlen hat: steh auf, tu etwas, komm zu dir! Du bist ein Muslim! 

Die Prüfung kommt nie allein. Sie kommt immer mit der Stärke

Es tut mir leid, syrischer Junge, dessen Namen ich nicht kenne.

Ein junger Mann in Wien, ein geflüchteter junger Mann in Wien spring am hellen Tage vor eine Straßenbahn und schreit dabei. Er legt sich vor die Bahn, die Bahn stoppt, er regt sich darüber auf, schlägt mit voller Wucht gegen die Bahn und schreit: „Komm, komm, komm!“

Als er merkt, der Bahnfahrer wird nicht zum Töten kommen, wie viele andere aus seiner Heimat, laut Medienberichten Syrien, versucht er es auf andere Art und Weise. Er springt vor ein fahrendes Auto. Jemand reißt ihn runter. Er springt wieder auf die Bahn und versucht sich Stromschläge durch die Leitungen verpassen zu lassen, es klappt nicht. Er rennt durch die Gegend und schreit: „Syria! Falastin! Russia nix gut! Ah Syria!“ und viele andere Dinge die ich nicht verstehen konnte. Dieses Bild, am hellen Tag mitten in Wien, wird frecher und meiner Meinung nach unmenschlicher Weise von einer Bürgerin mit türkischem „Migrationshintergrund“ aufgenommen. Hinten dran hört man Menschen türkisch sprechen: „Deli bu yaa!“ „Adam maymun cikti!“

(Die Erhöhung unserer Gastarbeitergeneration + 2. – 4. Generation seiner selbst durch das Leid der geflüchteten Menschen und Sprüche wie: „Wir waren nicht so!“, kotzen mich sowieso an!)

Ich möchte wiederholen: Ein junger geflüchteter Mann aus Syrien verliert die Kontrolle über sich. Er springt am hellen Tage mitten in der Stadt vor eine Bahn, vor ein Auto, wieder auf die Bahn, versucht durch die Leitungen Stromschläge zu bekommen, bis die Polizei anrückt und ihm festnimmt.

Meine Damen und Herren: Am hellen Tage, mitten in Wien, hat sich versucht ein junger Mann, der vielleicht mal Träume hatte, Hoffnungen, vielleicht war er verliebt, vielleicht ging er zur Schule, in die Uni hat eine Ausbildung gemacht – dieser junge Mann wollte sich umbringen. Vor allen Menschen in der Stadt. Und er schrie dabei! Er schrie! Damit wir uns an diesem Video nicht amüsieren und sagen: „Boah krass, voll der kranke Typ“!, sondern endlich mal die vielen Hilfeschreie hören, die wir so gerne bis heute ignoriert haben!

Wir sehen die Bilder, verblödete Politiker nutzen dieses Herz zerreißende Bild um Stimmung zu machen. Die Kommentare auf fb zeugen von Hass unserer Mitmenschen. „Die Bahn hätte einfach weiter fahren sollen“, schreibt z.B. einer. Einige lachen, einige schütteln den Kopf, und einige Weinen, weil sie die Tragik dahinter erkennen.

Was sagt das über unsere Welt aus? Was sagt das über die zig Kriege aus die UNSERE westliche Welt führt und führen muss um sich seiner Macht und Erhabenheit auf zu geilen? Was sagt das über uns aus, dass eine Frau das einfach filmt, statt zu ihm zu gehen, und in die Arme zu nehmen, mit ihm um Syrien, um Palästina und all die anderen Länder zu weinen, und wie es scheint, um seine Eltern und Geschwister zu weinen, die laut Berichten auf fb ums Leben gekommen sind – in Syrien, wie es mir zumute war.

Es tut mir leid, geflüchteter Syrer, dessen Namen ich nicht kenne. Es tut mir Leid, dass wir dir das antun. Es tut mir leid, dass unsere Bequemlichkeit es nicht zulässt auf die Barrikaden zu gehen und zu schreien: „Stop! Dass was ihr macht führt dazu, dass sie nicht nur mehr im Krieg durch eure Bomben, sondern auch in unseren Straßen durch unsere Ignoranz sterben (möchten!). Hört auf! In Gottes oder wessen Namen auch immer – bitte! Diesem Mann könnt ihr seine Eltern und Geschwister nicht mehr geben, aber gebt ihm Liebe und zeigt Verständnis und gebt ihm und Millionen anderen endlich seine Heimat zurück!“

Bitte, es ist unerträglich!

 

Wahrscheinlich wird auch dieses Bild schnell in Vergessenheit geraten, so dass das keine Rolle mehr spielt, und wir uns nur noch mehr an die Situation gewöhnen, bis wieder ein kleiner junge tot am Strand liegt, ein anderer Junge traumatisiert im Krankenwagen sitzt, oder der nächste vor die Bahn springt. Bis wir den nächsten Schock erleiden, und dann drüber hinweg kommen. Denn meine Heizung funktioniert, mein Essen steht bereit, meine Eltern und Geschwister leben – denn mir geht es gut.

Ich bin müde. Ich möchte sein.

Ich bin müde. Ich bin müde von den ganzen „Debatten“, den vielen Begegnungen mit Rassismus, Diskriminierung, Hass und Arroganz.

Um ehrlich zu sein bin ich an einem Punkt im Leben angelangt, in dem ich ernsthaft darüber nachdenke, das Land zu verlassen. Auf lange Zeit.
Eine Woche waren wir im Urlaub. Es war echt schön! Selbst der Burkini am Strand hat keine Sau interessiert. Kaum sitzt man mit Österreichern im Flieger nach Wien möchte die Sitznachbarin ihre Erhabenheit über mich laut stark mir und allen anderen Menschen im Flieger mitteilen, in dem sie versucht mich auf „höfliche“ Art und Weise nieder zu machen. Sie spricht Deutsch und wiederholt alles etwas lauter auf Englisch, damit auch jeder mitbekommt, was ihr nicht passt.
Als mein Mann sie bittet, ihren Rassismus bis zur Landung abzuschalten, da wir noch im Urlaub waren, argumentiert sie mit:
„Ich bin nicht rassistisch, mein Name ist Laila. Nur weil Sie in einem fremden Land leben brauchen Sie nicht dauernd denken, jeder sei Ihnen gegenüber rassistisch.“ Sie forderte eine Entschuldigung, die sie nicht bekam.
Meine Gute, dein Name, auf den du kein Einfluss hattest mag zwar schön sein, das bringt dir aber herzlich wenig, wenn dein Geist auf den du Einfluss hast, schmutzig und unschön ist.
Ein Tag später, heute, hatte ich das erste Mal Angst auf dem Straßen. Der Aufruf auf „Nazi-Gruppen“, jeder Muslima mit Kopftuch eine rein zu hauen, hat auch mich nicht kalt gelassen.

Ich hatte heute Angst. Ich hatte heute tatsächlich Angst, alleine raus zu gehen – ich! Am Tag.

Es ist wahrscheinlich witzig, sich selbst als Bloggerin zu bezeichnen und monatelang nichts auf dem eigenen Blog zu posten. Was soll ich denn schreiben? Noch eine weitere Geschichte, was mir dieses Mal widerfahren ist, weil ich offensichtliche Muslima bin? Noch eine Rassismus- und/oder Diskriminierungserfahrung? Nochmal und nochmal und nochmal und nochmal?! Wie oft noch? 

Wisst ihr? Ich möchte auch mal einfach nur sein.

Einfach mal auf die Straße gehen und keinen ätzenden Blick abbekommen, keinen beleidigenden feigen Kommentar hören, kein Spucke auf den Kopf bekommen, nicht vom Auto angefahren und dann beleidigt zu werden, nicht das Kopftuch abgerissen zu bekommen, nicht von LehrerInnen/DozentInnen in eine scheiß Scheindiskussion verwickelt werden, worauf man eigentlich kein Bock hat doch immer als Sprecherin aller jemals existierten, noch exisitierenden und existieren werdenden Muslimen fungieren.

Davon bin ich müde. 

Ich möchte einfach mal nur Pädagogin sein, ich möchte die Tochter meiner wundervollen Mutter sein, ich möchte die nervende und/weil besorgte große, und die zu sehr liebende und klebende kleine Schwester sein. Ich möchte die alberne #weilwegenswag Tante sein. Ich möchte die Gesellschaftskritische sein, ohne in eine Schublade der Kritik gesteckt zu werden. Ich möchte Studentin, Lernende und Lehrende sein, mit allem was ich habe, oh ja, irgendwann möchte ich „(Bildungs-)Wissenschaftlerin“ sein. Ich möchte die Kinder- und Jugendarbeiterin sein und dieser Arbeit mit Leidenschaft nachgehen können, ohne nur für eine bestimmte Gruppe von Kindern und Jugendlichen zuständig zu sein. Ich möchte die Deutschrap-Liebende sein, die bei Xatar und Hafti Abi durch die Decke geht, die aber Bach Mozart vorziehende-möchtegern- Kultivierte, und gleichzeitig die Theater-liebende und Opern – nichtsoabhabende sein.

Ich bin müde, Leute, im ernst. Ich möchte einfach mal nur sein. 

Früher haben mich solche Ereignisse nur noch mehr motiviert, weil ich immer an das Gute geglaubt hatte, ich dachte immer, dass es besser werden wird, dass die Menschen liebender und intelligenter werden. Ich hatte immer die Hoffnung, dass es mit der Zeit besser werden wird – doch nun habe ich weder die Kraft noch mehr dagegen zu  arbeiten, noch die Hoffnung, dass es besser werden wird. 

Gestern im Flieger schrieb ich an meinen verstorbenen Opa: Bana vefat etmeden bi kac gün önce söyledigin seyi yaptim Dede. „Oku Kizim“, demistin. „Oku ki, seni Adam yerine koysunlar.

Üniversite okudum. Okudum ve bitirdim, Dede. Okudum, kagit üzerinde Adam oldum.  Ama benide, sana yaptiklari gibi, adamdan saymiyorlar. Cok bisey degismedi, Dede. Ama üzülme, ben aglamiyorum artik.  

(Ein paar Tage bevor du starbst sagtest du mir, ich solle studieren. Ich solle studieren um ein Jemand zu werden und wie ein Jemand behandelt zu werden. Ich habe studiert. Ich habe studiert und habe mein Studium beendet. Ich habe studiert und auf dem Papier, bin ich nun ein Jemand. Aber mir tun sie das selbe, wie bei dir auch schon, sie zählen mich nicht als Jemanden. Es hat sich nicht viel verändert, Opa. Aber sei nicht traurig, deshalb weine ich nicht mehr.)

Mein Kopftuch hat eine Bedeutung.

Heute berichten einige deutsche Zeitungen darüber, dass einem 13 jährigen Mädchen das Kopftuch in der Öffentlichkeit von einer Frau herunter gerissen wurde.*

In den Kommentarzeilen sind neben einigen, wenigen, untergehenden Kommentaren von Verständnislosigkeit über das Handeln der Frau, viele Kommentare, die rassistisch, sexistisch, aus der rechten Ecke politisch und einfach nur sowas von 1933 und Ekel erregend sind.

Das Kopftuch wird oftmals in den Kommentaren mit einer Bademütze oder mit einer Baseball Capy eines kleinen Jungen verglichen.

Ich glaube, dass viele nicht ganz verstanden haben, dass das Kopftuch eine Bedeutung hat. Mehr als nur eine „Politische“, die man ihr oft unterstellt.

Ein Mädchen entscheidet sich, vor allem in diesem Land, bewusst für ein Tuch. Es wird eine Pro und Contra Liste im Kopf, manchmal sogar auf Papier gemacht. Beim Abendessen wird darüber geredet, es wird heiß diskutiert.
Man ist heute leider nicht mehr so frei einfach, weil man überzeugt davon ist, zu beschließen, dass man morgen ein Tuch tragen möchte. Dazu gibt es zu viele Menschen, die es mit einer Capy vergleichen oder es einem abziehen könnten und würden!

Es ist eine wohlüberlegte Entscheidung. Man setzt sich neben den religiösen Bedeutungen und Richtlinien auch mit den gesellschaftlichen, eventuellen Problemen und Herausforderungen auseinander.

Selbst meine Eltern wollten damals nicht, dass ich ein Tuch trage, obwohl ich behaupten kann, dass meine Familie (mehr oder minder) den Islam praktiziert.

Die Angst davor, dass etwas passieren könnte, die Angst vor Diskriminierung, Rassismus, Hass und möglichen Angriffen ist einfach zu groß, als dass diese Entscheidung nur mit dem Herzen gefällt werden könnte. Wie schade eigentlich!

Deshalb: Mein Kopftuch HAT eine Bedeutung.
Eine, neben der Religiösen.

Das Kopftuch bedeutet, sich früh intensiv mit Thematiken auseinander zu setzten, in denen verschiedene Meinungen vertreten sind. Das bedeutet, dass man lernt, früh verschiedene Meinungen auszusuchen, anzuhören, abzuwägen und dann eine eigene Meinung zu bilden und nach dieser zu gehen. Diese zu vertreten und hinter ihr zu stehen.

Das Kopftuch bedeutet, dass man lernt hinter seinen Entscheidungen zu stehen. Hinter dem, was man für sich getan und beschlossen hat. Es bedeutet Verteidigung, oft auch Rechtfertigung und Erklärungen. Es bedeutet, dass man in der Lage ist oder sein muss, aufrecht zu gehen und erhobenen Hauptes hinter seinem Selbst zu stehen. Egal was ist!

Das Kopftuch bedeutet Stärke, Mut und Selbstbewusstsein. Obwohl muslimischen Frauen immer unterstellt wird, sie seien schwach und unterdrückt, muss man eine muslimische frau erst einmal genauer betrachten.
Das Kopftuch bedeutet, dass man jeden Morgen vor dem Spiegel steht, es aufsetzt und weiß, es könnte mit dem ersten Schritt nach draußen was passieren.
Es dennoch aufzusetzen, weil man hinter seinen Überzeugungen und Entscheidungen steht, zeugt von extremer Stärke, von Mut, von Ehrgeiz, von Weitsicht, von Revolution, von Veränderung, ja, von Rebellion, von Selbstbestimmtheit und Selbstbewusstsein!

Das Kopftuch bedeutet Auflehnung. Auflehnung gegen das System das herrschen möchte und zum Teil schon herrscht. Das Tuch bedeutet Erinnerung. Erinnerung an die Geschichte, an die Geschichte die wir nicht noch einmal erleben wollen. Das Kopftuch bedeutet Mut, Mut nach draußen zu gehen Tag für Tag erhobenen Hauptes, und jeden Moment mit einem Angriff, einer Diskriminierungserfahrung zu rechnen.

Das Tuch bedeutet Aufstand und Rebellion!

Ja, mein Tuch ist schon lange kein nur religiöses Symbol mehr! Es ist auch nicht zu vergleichen mit einer Kappe eines Jungen oder eine Badekappe beim Schwimmen. Und nein, wir „heulen“ nicht leise, wie in den Kommentaren gefordert wurde! 
Ich zeige mit meinem Tuch, dass ich hier her gehöre. Dass ich zu Deutschland und nun auch zu Österreich gehöre. Mein Tuch zeigt, dass ich es Deutschland zumute, dass ich an Deutschland glaube, dass Deutschland Vielfalt tragen und lieben lernen kann.

Mein Tuch Auflehnung, Aufstand und Rebellion gegen alle, die wieder zurück in der Geschichte möchten!

Wenn sie doch nur wüssten!

 

 

*Spiegel Online