Das Seelenstreicheln der weißen Mächtigen.

Kennt ihr das? Wenn ihr von KommilitonInnen, ProfessorInnen, KollegInnen und Weitere anders beäugt werdet, eine andere Mimik, andere Gestik herrscht, wenn sie mit euch umgehen und kommunizieren, als wenn sie mit der weißen „Rebecca“ die, die Selbe Stellung hat wie einer selbst, umgehen und kommunizieren? Wenn ihr ihre „weiße Arroganz“ aus 100 km Entfernung riechen kannst? Kennt ihr das, wenn sie über euch sprechen, wenn ihr selbst im selben Raum sitzt und euch dabei nicht beim Namen nennen wenn sie über euch sprechen, sondern mit den Augen oder Händen in eure Richtung gestikulieren – und das einfach nur abfällig ist weil sie es auf eine abfällige Art und Weise tun?

Kennt ihr das, wenn ihr genau wisst, und fühlt und 100% überzeugt davon seid, dass diese Personen nur so mit euch umgehen, weil ihr ein Kopftuch tragt oder ein Bart oder eure usprüngliche Herkunft (in ihren Augen) nicht Deutsch oder Österreichisch ist, und merkt, dass sie auch nicht mal ansatzweise mit ihren weißen KollegInnen/StudentInnen usw. so umgehen und auch nicht so umgehen trauen würden?

Ich glaube manchmal, dass diese Menschen es einfach nicht ertragen können, dass man selbst mit ihnen als akademische, professionelle Person, die auf Papier auf der gleichen Stelle – auf Augenhöhe mit ihnen steht, am ein und denselben Tisch sitze. Ich glaube ihr Ego erträgt das nicht.

Wenn ich zum Beispiel sehe, dass in der Flüchtlingsarbeit einige Menschen, in hohen Stellungen genauso mit den muslimischen KollegInnen (mit „Migrationshintergrund“*) umgehen, wie sie mit ihren geflüchteten Klienten umgehen.

Und es dann erschreckt: weil wenn sie sich schon einer professionellen Person wegen ihrer Herkunft überlegen fühlen, (woher dieses Gefühl auch immer rühren mag) – wie fühlen sie sich dann tief im inneren gegenüber den geflüchteten Menschen die sie betreuen? Mächtig? Am längeren Hebel sitzend? Ergötzen sie sich daran, streicheln sie ihre Ego damit, dass sie so viel Macht haben und das unter dem Deckmantel der linken Hilfsbereitschaft?

Und da ist schon das nächste Problem: diese Menschen denken, dass sie nicht anfällig für Rassismusausübung und Diskriminierungsausübungen sind. Weil sie ihre auf einem weißen hohen Ross sitzende Seele und Ego damit streicheln, dass sie ja den „ach so armen armen hilfebedürftigen Flüchtlingen/Schwachen“ helfen, oder am Wochenende mit dem armen unterzivilisierten „Türkenkindern“ Fußball spielen. Oder Kleidung an geflüchtete Menschen spenden oder gar einen Zuhause aufgenommen haben.

Sobald aber eine/r von diesen irgendwann am selben Tisch mit ihnen sitzt, auf Augenhöhe, können sie das nicht mehr ertragen. Dann kommen die Gestiken, die Mimiken, das nicht ins Gesicht schauen, wenn sie mit einem reden, das, in der 3- Person von einem reden, obwohl man im selben Raum sitzt. Das unterschwellige Abstufen deiner Person, deiner Leistung und der Identität. Das unterschwellige Heraufstufen seiner Selbst.

Ich glaube, das ist eine andere Art der Machtausübung. Dieses Seelenstreicheln dieser weißen mächtigen Menschen. Dieses besser fühlen, durch das Elend anderer, durch das Schwachsein anderer und der Macht, die in ihren Händen liegt.

Edward Said sagt in seinem Buch Orientalismus, dass die weißen Mächtigen, das „Andere“ so konstruieren wie sie sie eben konstruieren, um anhand des „Anderen“ das bessere „Ich“ konstruieren zu können.

So ist das mit diesen Menschen auch. Sie konstruieren das Bild eines hilfebedürftigen, von ihnen abhängigen geflüchteten Menschen (das Andere) um das Ich von einem mächtigen, hilfegebenden, tollen Ich zu haben -> Seelenstreicheln eben! Man könnte es auch Seelenporno nennen. Wieso? Das könnt ihr euch selbst denken. Weiter konturieren sie das Bild einer doch nicht so professionellen Professionellen, (da die Professionalität ja eh konstant mit der Größe/Länge des Kopftuchs/Barts abnimmt) und benehmen sich auch dementsprechend. Dadurch ist das tolle überlegene „Ich“ nicht gefährdet, weil das Bild des „Anderen“ noch nicht so krass umgeändert wurde durch die Bildung, Sprache, Auftreten etc., dass das nicht mehr ins Schema passt.

Ich empfehle diesen Menschen einfach nur dass sie sich reflektieren, dass sie nicht sicher vor rassistischen Gedanken und/oder Handlungen sind, nur weil sie mit geflüchteten Menschen arbeiten oder sonst wo in einem sozialen Bereich mit ausländischen/weniger gebildeten Menschen mMh.

Und wenn sie diese Reflexion und die darauf folgenden Handlungen nicht tun können, dann, meine lieben an ihrer Macht so sehr hängenden weißen Seelen, die so gerne ihre Seele mit den Schwächeren streicheln – lasst es einfach! Und seht ein, dass ihr kein Stück besser seid als jene über die ihr spricht, wenn ihr an euren möchtegern-sozialistisch-linken-Stammtisch sitzt!

„Was Diskriminierung ist, bestimme ich!“

Wenn Betroffene von Rassismus über ihre Rassismuserfahrungen sprechen, sind die Reaktionen der ZuhörerInnen immer sehr unterschiedlich. Einige sind entsetzt, und können gar nicht glauben, dass das Erzählte wahr ist. Bei diesen denke ich mir oft: lauft ihr blind und taub durch die Welt? Wieso ist das so, frage ich mich. 
Die andere Seite sind die, hm, keine Ahnung ich habe jetzt eine Bezeichnung für diese, aber es sind diejenigen die entweder Entschuldigungen für die Tat suchen oder sie versuchen zu verharmlosen. Oft wollen sie auch erklären, dass das passierte gar kein Rassismus oder keine Diskriminierung gewesen sei, sondern was auch immer was. „Ich meinte es nur gut!“, „Ich habe nur Interesse gezeigt!“, sind Sätze die ich oft höre. 
Und da denke ich mir dann: wer definiert was rassistisch oder/und diskriminierend ist in einer Situation, in einem Moment oder ganz allgemein? Wer bestimmt, ob das Geschehene nun Rassismus oder Diskriminierung war oder nicht.
Die Autorin Birgit Rommelspaccher erklärt das gut, in dem sie zwischen intentionalen und nicht intendierten Rassismus unterscheidet und dies weiter ausführt mit:

Auf der individuellen Ebene bezieht sich der intentionale Rassismus auf eine bewusste Herabsetzung der Anderen, während der nicht intendierte Rassismus auf ungewollte Weise diese Wirkung entfaltet. Das ist für die Beteiligten in der dominanten Position oft schwer zu verstehen, denn ihrer Meinung nach liegt nur dann Diskriminierung vor, wenn sie jemand auch verletzen und herabsetzen wollen. Das heißt für sie ist die Absicht entscheidend. Aber die Folge einer Handlung muss nicht mit ihrer Intention zusammenfallen. So kann auch wohlmeinendes Verhalten diskriminieren, z.B. wenn man eine Person, die vom Aussehen her nicht einem Normdeutschen entspricht, dafür lobt, wie gut sie deutsch spricht. Man glaubt damit positive Anerkennung auszudrücken, tatsächlich aber weist man damit auf den Bruch der Selbstverständlichkeit hin.  {….} ..wenn dieses „Lob“ zurückgewiesen wird, macht sich bei den Mehrheitsangehörigen oft Empörung breit, man habe es doch gut gemeint. Dem Anderen wird gewissermaßen nicht erlaubt, dies als eine Diskriminierung zu empfinden. Was Diskriminierung ist, bestimme ich! Mit diesem Motto wird Anerkennung verweigert. Dem Anderen wird eine eigene Perspektive nicht zugestanden, womit wiederum die geringere Bedeutung des Anderen unterstrichen, also seine geringere symbolische Macht bestätigt wird.“ (Rommelspaccher (2009), S. 31/32 {Hervorhebungen durch mich})

Somit ist also das Empfinden der oder des Betroffenen richtiger und anzunehmender als desjenigen, der/die meint er/sie hätte die Deutungshoheit darüber – aber sie eben nicht hat! Das drumherum Reden und eine „Ausrede“ suchen bringt in dem Zusammenhang nicht viel. Die Person, die darauf aufmerksam gemacht wird, dass das Gesagte oder Getane rassistisch oder diskriminierend war, oder so empfunden wurde,  sollte einfach versuchen zurück zu stecken, und einmal zu akzeptieren, dass die Meinung des Selbst nicht die Wichtigste und die Bedeutenste ist, sondern, dass Betroffene darüber entscheiden ob sie nun rassistisch oder diskriminierend behandelt wurden, ob sie ausgegrenzt wurden, egal wie es gemeint war. Die Absicht hinter der Tat tut wenig zur Sache, wenn sie beim Gegenüber schaden anrichtet! 

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte.

kopf

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir vielleicht sagen, dass ich etwas zu jung war, als ich begonnen habe es zu tragen. Mit 10. Es würde mir vielleicht sagen, dass ich den Rat meines Vaters, wie damals mit 8 Jahren wieder folgen sollte, und es erst dann aufsetzten sollte, wenn ich verstanden habe wieso ich es tun soll.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir vielleicht aber auch danken. Nein – es würde mir mit Sicherheit danken.
Es würde mir sagen: danke, dass du mich auf behalten hast, nach dem du dich für mich entschieden hast, egal, was du dir wegen meiner Existenz anhören musstest.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es zu meinem 11 Jährigen Ich sprechen, welche damals, beim Betreten des Sport Unterrichts in der 6. Klasse von einer Lehrerin den Satz: „Setz mal den Scheiß auf deinem Kopf runter!“, anhören musste, dass es okay von mir war zu weinen, nach dem ich die Halle verließ und Nachhause rannte.
Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir auch sagen, dass meine Wut berechtigt war, als meine Klassenlehrerin sich nicht einmal bereit erklärte ein 3er-gespräch zu führen um diesem Missstand ein Ende zu bereiten.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir sagen, dass es es mutig fand, dass ich auf die Frage der Berufsberaterin – die in der 8. Klasse zu Besuch in der Schule war und mich beim Einzelgespräch sofort auf die schlechten Chancen mit dem Tuch ansprach – ob ich mein Kopftuch denn bereit bin für einen Ausbildungsplatz abzusetzen mit einem bestimmten Nein! Antwortete. (und die anderen -zig Male danach ebenso)

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir sagen, dass ich nicht auf die Blicke und Worte aller Menschen achten sollte, die mich auf der Straße angaffen und mir „Kopftuchschlampe!“ hinterher rufen und dann weg laufen, weil sie zu schwach sind, sich einem niveauvollen Dialog hinzugeben.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir sagen, dass es mit mir erst gar nicht anfangen will über die Medien zu sprechen.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir sagen, dass es die richtige Entscheidung war weiter zu mit der Schule zu machen, obwohl ein Lehrer mir in der Oberstufe sagte, dass ich auch mit dem Abitur nichts anständiges finden würde, solange ich es trage.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir sagen, dass es genauso erschrocken war, als ein Kunde, nach dem ich ihn bedient hatte zu mir sagte: „Sagen Sie dem Chef bitte, dass ich von keinem Kopftuch-Mädchen mehr bedient werden möchte – schließlich ist das hier ein Cafe, keine Moschee!“.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir sagen, dass Es es genauso als schlimm und hoffnungslos empfand, als man mitten auf der Straße, beim Vorbeilaufen versuchte, Es von meinem Kopf zu reißen und dann weg rannte. Es würde mir sagen, dass es genauso geschockt ewig da stehen würde, weil es nicht wissen würde, was es nun denken und fühlen soll.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir sagen, dass es sich auch hätte zusammen reißen müssen, als im Cafe am Nebentisch zwei Damen laut stark über es geredet haben, und meinten: „Diese Mädchen wollen doch nur Aufmerksamkeit mit den Tüchern und ihrem Islam!“

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir sagen, dass es genauso tagelang empört gewesen wäre, wenn eine Woche vor Praktikumsbeginn der Platz abgesagt wird, weil man sich doch entschieden habe keine Praktikantin mit Kopftuch einzustellen und dann noch den gut gemeinten Rat bekommt, dass man doch lieber das Studium abbrechen sollte, weil man mit so einer radikal-islamistischen Einstellung, die daran bemerkbar wäre, dass man sein Kopftuch nicht absetzten wolle, sowieso keinen Job finden würde. Schließlich würde niemand in der pädagogischen Branche eine schleichende Islamisierung meinerseits dulden. Mein Kopftuch würde mir sagen, dass es auch hier okay war zu weinen und verzweifelt zu sein.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir noch viele Dinge sagen, die eigentlich nicht wegen Es selbst passierte, sondern wegen der Intoleranz der Menschen in dieser Welt.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es aber auch sagen, dass es es auch sehr ermutigen fand, als ein Mann mich ansprach und sagte: „Ich finde Kopftücher ganz toll.“ und eine andere Frau die sagte: „Diese schönen Muster und Farben die Sie da immer tragen.“ und als meine Kommilitonen begannen mir einen neuen Praktikumsplatz zu suchen weil sie das absolut inakzeptabel fanden.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir wahrscheinlich sagen, dass ich nun weiß, wieso ich es trage, und dass alles was mir wegen Es passiert, mich nicht schwächer machte sondern nur stärker und selbstbewusster.
Es würde mir sagen, dass ich nicht ich wäre, wenn ich Es nicht hätte. Und es würde mir sagen, dass auch ich ein Teil von Es bin, so wie Es ein Teil von mir ist.

Und zu Letzt, wenn es mit mir sprechen könnte, würde es mir sagen, dass ich aufhören sollte, mir immer mehr und immer mehr zu kaufen, da ich schon genug besitze.