Glauben oder nicht glauben – das ist hier die Frage.

Ich stehe vor etwa 10 Jugendlichen und spreche, ‚halte einen Vortrag’. Ich merke plötzlich, wie ich die Personen nicht mehr richtig wahrnehmen.
Ich spreche nur noch vertieft über das, wofür ich hier bin, über das, wofür ich mich tagelang vorbereitet habe.
Ich habe das Gefühl, dass ich abhebe, ich trete weg, ich tauche ein.
Ich bin so vertieft in die von mir ausgesprochenen Worte; ich merke nicht mehr, dass ich zu jemandem spreche, dass ich spreche, ich fühle, als ob mein Geist zuhört, als ob zu mir, zu mir – in das Innerste des Ichs gesprochen wird.

Gott spricht im Koran: „Und sag: (Es ist) die Wahrheit von eurem Herrn. Wer nun will, der soll glauben, und wer will, der soll ungläubig sein.“ (18:29)

Ich spreche in etwa: Gott sagt euch, wie wir gesehen haben, eindeutig, unmissverständlich, offen und klar: Ich bin dein Freund, ich bin dein Helfer, ich bin dein Verwalter, dein Beschützer, deine Heilung, dein Trost, deine Vergebung, deine Hoffnung, dein Begleiter, der, der dich liebt, ich bin dein Zuhörer, ich bin dein Beobachter! Ich bin da! Ich bin immer da, du brauchst mich nur rufen und ich höre dich. Ich bin da! Ich bin hier!

Und er sagt aber auch, wenn du willst, dann glaube daran, wenn du aber nicht willst, dann lasse es. Dann bleib wie du bist, bleib wer du bist, bleib! Ich gebe dir diesen freien Willen. Du kannst ihn nutzen wie du möchtest.

Ich merke wie meine Stimme kurz versagt, wie ich dann aufatme, nach dem ich die Luft angehalten hatte, wieder in der Realität ankomme. Ich muss meine beiden Beine noch einmal neu positionieren, mir einen festen Stand, „mit beiden Beinen fest auf dem Boden“ gewährleisten. Ich merke, wie meine Augen mit Tränen gefüllt sind. Und meine SchülerInnen mich anstarren.

Der Moment der Verinnerlichung, der Moment, wenn etwas vom Verstand in das Herz übergeht – so fühlt es sich also an. Lange ist es her.

Fang jetzt ja nicht an zu weinen, Esim! Achte auf deine Stimme. Räuspere, achte auf deine Haltung!, denke ich mir.

Dann bin ich wieder da, in der Realität.

Es liegt in unserer Hand, sage ich ruhig, abschließend, aber dennoch eindringlich, ob wir aus dem was Gott uns gibt, und aus dem was Gott uns sagt was, wer, wie er ist -vor allem für uns, vor allem für dich! Jeden einzelnen – etwas machen wollen.

Er gibt uns einen freien Willen, wie wahrscheinlich kein anderer. Er gibt uns einen freien Willen in einer absoluten Frage, in der Frage der Fragen, in der Antwort der Antworten, in dem Leben und dem Tod – glauben oder nicht glauben?

 

 

(Nachtrag: dieser Text erhebt keinen wissenschaftlichen und schon gar nicht theologischen Anspruch. Er ist aus einer bloßen Empfindung entstanden.)

Vom Lästern & rohem Fleisch.

Jeder kennt es: man hört, dass was über einen geredet wird. Man weiß, dass es absolut nicht der Wahrheit entspricht, und wenn doch, dann ist es einem unangenehm.
Jeder kennt es, es macht Spaß hier und da mal über jemanden zu reden den man nicht besonders mag. Das tut gut. Man findet Bestätigung bei anderen.
Jeder kennt es, dann wird dir erzählt, was deine nächsten über dich so reden. Welch Lügen sie verbreiten. Und du immer geschwiegen hast um ihre Fehler zu verdecken und dir nur denkst – warum?

Die Frage stelle ich mir heute mehr als an anderen Tagen. Wieso reden Menschen über andere Menschen. Wieso ist das Lästern, das Vorwerfen (auf trk. Iftira) einer schlechten Sache die eigentlich nicht stimmt so in den Menschen verankert. Und mir fällt mit der Zeit auf, dass es falsch ist diese Angewohnheiten nur auf bestimmte Menschen zu schieben. Jeder tut es. Frau. Mann. Gläubig. Weniger gläubig.

Doch schockt es mir immer wieder mehr, wenn ich gläubige Menschen dabei erwische und noch mehr mich selbst.

Sagt Allah taala im Koran nicht etwa:

„O ihr, die ihr glaubt! Vermeidet häufigen Argwohn; denn mancher Argwohn ist Sünde. Und spioniert nicht und führt keine üble Nachrede übereinander. Würde wohl einer von euch gerne das Fleisch seines toten Bruders essen? Sicher würdet ihr es verabscheuen. So fürchtet Allah. Wahrlich, Allah ist Gnädig, Barmherzig.“ (49:12)

Er spricht davon, dass Argwohn Sünde sein kann! Und er sagt klar und deutlich, dass sich die Menschen nicht gegenseitig spionieren sollen und nicht üble Nachrede übereinander führen sollen. Er vergleicht die üble Nachrede mit dem Essen vom Fleisch seines toten Bruders. Ist das nicht eine widerliche Vorstellung? Wenn wir uns bildlich vorstellen, wie wir vom toten Fleisch unseres Bruders, unserer Schwester essen ? Wem kommt es da nicht hoch?

Muhammad Rassoul schreibt  in seinem Tafsir unter anderem dazu:

„Argwohn, Spionieren und üble Nachrede gehören zusammen als Faktor, der unvermeidlich die Brüderlichkeit unter den Gläubigen zerstört und das friedliche Zusammenleben unter ihnen beeinträchtigt.“ (M0hammed Ibn Ahmad Ibn Rassoul 2008) {Hervorhebungen durch mich}

Hieraus kann man eindeutig die Folgen solcher Dinge raus lesen.

Auf die Frage was denn üble Nachrede ist, gibt es eine Überlieferung:

Der Gesandte Allahs (saw*) erklärte Folgendes: ,,Wisst ihr was üble Nachrede ist? Wenn jemand über einen seiner Glaubensgeschwister etwas sagt, das ihm nicht gefallen würde.” (Abu Dawud)

So sollte man bei jedem Wort welches man über einen anderen Menschen sagt abwägen was die Person darüber denken würde, dass man es sagt. Also ist üble Nachrede alles, was man von sich selbst nicht sagen würde und auch nicht möchte, dass es über einen selbst gesagt wird.

Ich frage mich weiterhin – wieso? Wieso reden Menschen soviel über andere Menschen?
Ist es das, dass man sich durch das Schlecht- Reden einiger Personen selbst abheben möchte? Den Rang in der Gesellschaft, in der eigenen kleinen Community erhöhen möchte? Ist es der Neid, von dem der Prophet saw. sinngemäß sagte, dass der Neid den Menschen zerfrisst, sowie das Feuer das Holz zerfrisst? Ist es der Wunsch, die eigenen Fehler nicht begangen zu haben, von diesen abzulenken in dem man auf andere Menschen lenkt?
Wieso lästern Menschen wenn sie wissen, dass es anderen Menschen weh tun wird? Wieso möchten die Menschen, dass man über einen anderen schlecht denkt?

Die Zunge ist solch eine gefährliche Sache.

Abu Huraira (r) überliefert, dass man den Gesandten Allahs (saw) fragte:
”Welche Taten führen den Menschen meistens ins Paradies?”
Er (saw) antwortete: ”Gottesfurcht und gutes Benehmen.”
Man fragte ihn (saw) weiter:
”Und welche Taten führen den Menschen meistens in das Höllenfeuer?”
Daraufhin antwortete er (saw):
”Die mit dem Mund und den Geschlechtsteilen begangenen.”
(At-Tirmidhi)

Die Taten also, die mit dem Mund begangen werden können den Menschen in ewiges Seelenleiden bringen. Ist das nicht erschreckend? Ist das nicht erschreckend in Anbetracht dessen, dass jeder Muslim und jede Muslima mindestens ein Mal den oben aufgeführten Vers gehört hat? Als kleines Kind hatte ich ihn zum ersten Mal von meinen Eltern ans Herz gelegt bekommen. Und ich glaube, ich war nicht das einzige Kind.
„Würde wohl einer von euch gerne das Fleisch seines toten Bruders essen?“ Welch’ eine grausame Vorstellung. Welch’ ein einprägender Vergleich.

Auch in der Bibel ist das sinnlose Reden aufgeführt. Und ebenso wie im Koran wird davon abgeraten.

„Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören.“ (Bibel: Epheser. 4,29)

„Faules Geschwätz.“ – das trifft es!

Ich wünsche mir, dass wir nicht nur den Glauben (egal welchen) leben um als Gläubige wahrgenommen zu werden, sondern um Gottes Willen. Ich wünsche mir, dass diese Verse und Aussagen sich in die Herzen, die Seelen und die Geister der Menschen tief tief verankern. Und als erstes in meine. Ich wünsche mir, dass die Menschen von ihrem Neid los lassen lernen. Das zerstört nur einen im Inneren selbst und tut anderen auch nicht besonders gut. Ich wünsche mir so sehr, dass wir den Menschen  das wünschen können, was wir uns selbst wünschen. Denn sonst sind wir keine Gläubigen, wie der Prophet saw. es einmal sagte.

(*saw. = Abkürzung für sallalahu aleyhi wasallam – Möge Allahs Segen und Frieden auf Ihm sein.
Beitragsbildquelle: Hamburger Abendblatt)