Wieso ich Anwältin werden wollte. Wieso ich Pädagogin (werde) geworden bin.

Seit dem ich denken kann wollte ich Anwältin werden. Ich wollte in einem Gerichtssaal stehen, mit meiner Robe über meinen Schultern, bei dem Gedanken alleine fühlte ich mich groß und so, als könnte ich jemandem etwas Gutes tun – dem, der neben mir sitzt.

Ich wusste schon immer Ungerechtigkeiten zu erkennen, diese zu verurteilen und die Menschen bestrafen zu wollen – in dem Maße, wie sie es verdient haben. Ja ich finde, es sollte Strafe geben – im verdienten Maße.

Ich habe nie in die Gesichter der Menschen lachen können, von denen ich wusste, dass sie andere zum Weinen bringen. Ich habe es nie geschafft mein Gewissen zum Schweigen zu bringen, auch einmal „böse“ zu sein, damit ich etwas habe/bekomme, dass ich wollte, nie aber sonst haben könnte. Ich war immer zufrieden damit. Ich war bekannt als die, die immer versucht das Richtige zu tun – die meisten meiner Klassenkameraden haben mich auf Ausflügen gehasst, die meisten LehrerInnen benutzen mich als Hilfsbetreuerin. Kein Witz! 

Ich sitze wieder an meinen Laptop, jetzt gerade im Moment seit ca. 3 Stunden und versuche eine blöde Hausarbeit zu schreiben. Früher habe ich es geliebt nun aber, wo Stress mein stetiger Begleiter geworden ist, will ich sie nur noch schreiben und abgeben. Mit der Hoffnung auf einen baldigen Titel als  Pädagogin. Ja, ich habe mich gegen ein Jura -Studium entschieden. Wieso, wenn ich doch so viel mehr Prestije und vor allem Geld hätte haben können? 

Es geht um die Ungerechtigkeit, die mich viele Nächte nicht schlafen lässt, die mich viele Tränen gekostet hat, viele Nerven, viele Tage, in denen ich versuchte mit ihnen klar zu kommen – es gelang nie – bis heute nicht. 

Anwälte, Richter – sie bestrafen jemanden, nach dem er eine Tat begangen hat. Erst wenn etwas passiert, so in Deutschland, kann auch wirklich etwas unternommen werden. (so krank es auch klingt). Als Juristin also sorge ich dafür, dass das „böse“ hinter Gittern kommt, aber das „Böse“ hat sich zuvor schon entfalten können. 

Als Pädagogin kann ich es vielleicht schaffen, dass Böse in dem Menschen zu ersticken und statt dessen den Platz mit Liebe zu füllen? So, dass gar keine bösen Taten mehr gemacht werden? So dass er gar nicht vor den Richter treten muss? 

Ich mag meine Hausarbeit noch immer nicht. Auch nach diesem Text nicht. Aber ich mag den Gedanken, mit dem Titel, den mir u.a. diese Arbeit bringt möglicherweise, in Zukunft, irgendwann einmal etwas Böses verhindern zu können! 

 

Wenn Flüchtlinge böse werden liegt es an ihrer Religionszugehörigkeit.

Ich lese immer mehr Artikel darüber, dass man gedenkt Flüchtlinge in unterschiedlichen Heimen unterzubringen. Es gibt ein Kriterium für das Trennen der Menschen: die Religionszugehörigkeit. Christliche und muslimische Flüchtlinge sollen in  getrennten Heimen untergebracht werden. Dies sei aus Sicherheitsgründen so angedacht. 

Es ist fast schon lustig, dass die Krisen in den Flüchtlingsheimen jetzt mit der Religionszugehörigkeit der Geflüchteten begründet wird.

Muslime und Christen trennen heißt die Lösung für Probleme in Heimen, die meiner Meinung nach nur minimal mit der Religion zutun haben, wenn überhaupt! 

Ich frage mich wie es mir in den Heimen gehen würde. Dort sind zum Teil hunderte Menschen eingeengt in (z.T.) heruntergekommenen Gebäudekomplexen – alle auf einem Haufen. Alle haben Krieg, Armut und Verfolgung hinter sich gelassen. Ich glaube da wäre ich auch ein bisschen ausfallender, wenn ich so eine Flucht und so ein Leben hinter mir haben würde.
Und das nicht weil ich Muslima oder Christin bin, sondern weil ich traumatisiert bin, keine Perspektive mehr im Leben sehe, mein ganzes Leben verlassen musste mit wahrscheinlich nur einem Rucksack auf dem Rücken, die Umstände in denen ich nun hier lebe (z.T.) unter aller Würde sind, meine Kinder vielleicht traurig und mutlos sind, vielleicht auch körperlich  krank, denn psychische Schäden tragen alle davon. Und vielleicht, ja vielleicht weil ich Angst habe? Existenzangst? Identitätsangst? Angst!
Das Fremde macht ja bekanntlich immer Angst – das wissen wir Deutschen am Besten.
Krisen immer und immer wieder mit religiösen Unverständlichkeiten zu begründen, wie es die Medien in den letzen Tagen leider wieder tun, ist wie Bomben in Kriegsgebiete liefern. Sind wir Deutschen übrigens auch toll darin.

Statt jedes Problem aus der „Religionen, besonders der Islam sind Quelle allen Übels“ – Brille zu sehen, sollte man schauen was die Politik, die eigentlich für die Flüchtlinge die sie aufnehmen verantwortlich sind, tun können. 

Es liegt an ihnen, den Flüchtlingen Unterkünfte bereit zu stellen, die nicht gleich einer Ratten-Zelle sind. Wie soll bitte Frieden herrschen, wenn eine 5-köpfige Familie in einem Zimmer leben soll? Außerdem müsste man den Erwachsenen, vor allem den Männern etwas zu TUN geben! Sie müssen etwas haben, mit dem sie sich beschäftigen können. Arbeit in welcher Form auch immer mit evtl. einer kleiner Entlohnung, damit sie sich wieder fühlen, als würden sie etwas Gutes für ihre Familie tun. Die Frauen in ihrer Sprache unterstützen und die Kinder auch, das wäre das Nächste. Zudem den Kindern außer den ehrenamtlichen Helfern, die meist noch sehr jung sind professionelle psychologische BetreuerInnen zur Seite stellen, die mit ihnen sinnvolle Zeit verbringen, in dem sie evtl. durch Kunst oder Sport das Trauma, das sie hinter sich gelassen haben verarbeiten können. 

All das wäre mini Lösungsvorschläge, die meiner Meinung nach viel viel mehr bringen würden, als nach Religion zu trennen. Diese Menschen haben nichts mehr. Und so fühlen sie sich auch – wie Nichts. Man muss daran arbeiten, ihnen wieder einen Wert zuzumessen und diese in ihrer Entwicklung im neuen Land zu unterstützen. Man muss ihnen zeigen, dass sie auch hier eine Bedeutung haben und Mensch sind – nicht nur „Flüchtlinge“! 

Nein, das ist kein Schweinefleisch.

„Nein, das ist kein Schweinefleisch.“, antwortet die Pädagogin auf die Frage eines Mädchens welche sie betreut, ob die Würstchen aus Schwein wären. Nach dieser Antwort greift sich das Mädchen 2 Stück und vertilgt diese herzhaft. Wahrscheinlich merkt sie nicht einmal den Geschmacksunterschied. Ich weiß nicht, ob ich ihn raus schmecken würde. Die Pädagogin schnippelt weiter am Salat als sei nichts und verteilt diesen an die Kinder. Sie weiß, dass die kleine Canan eine Muslima ist.

Von weitem beobachte ich die Situation und nehme mir vor, sie später darauf anzusprechen.

In der Einrichtung zurück, lege ich meine Jacke ab wobei meine Kolleginnen schon am Tisch sitzen und ihren Feierabend-Kaffee genießen. Während dessen überlege ich, wie ich das Thema wohl am besten anspreche und möglichst emotionslos und rational erkläre, dass das absolut daneben und nicht pädagogisch vertretbar war, was sie dort abgezogen hat. Als ich am Tisch ankomme brauche ich nicht weiter zu überlegen – sie sind schon mitten im Thema.

„Ach, die Kinder“, erklärt sie gerade, „die wissen doch gar nicht was der Sinn der ganzen Sache ist, und ich versteh es auch nicht. Fleisch ist Fleisch. Was passiert denn, wenn sie Schwein ist, nichts! Sie hat es ja nicht einmal gemerkt, also werden die Eltern auch nichts davon erfahren und gut ist.“ Die andere Kollegin nickt zustimmen, und ich habe mich mit meinem Kaffee schon dazu gesetzt. Als offensichtliche Muslima werde ich angesprochen, bevor ich überhaupt ansetzen kann: „Oder Esim? Ich meine, was passiert denn jetzt wenn sie das gegessen hat?“

Ich finde diese Art von Ignoranz erschreckend! Als Pädagogin, deren die Kinder von ihren Eltern anvertraut so unsinnig mit ihren Werten umzugehen, das ist absolut daneben. Es kann sein, dass man die Regelungen, an welche sich einige Menschen halten nicht nachvollziehen oder verstehen kann. Gibt das einem aber das Recht dazu so falsch und den Eltern gegenüber hinterlistig mit diesen umzugehen?

Als mir so eine Situation mit Gummibärchen welche Gelatine beinhalteten das erste Mal passierte, dachte ich das sei ein Einzelfall gewesen doch erlebte es noch öfter. Oft höre ich auch im Austausch mit anderen KollegInnen, dass diese ähnliche Erfahrungen machen. , PädagogInnen gehen also zum Teil und nicht selten nachlässig mit religiösen Geboten, welche die Eltern von Anfang an klar stellten um. „Soll das Kind halt diese Gummibärchen essen, passiert ja nichts!“ oder „Es merkt gar nicht den Unterschied zwischen Schwein und Rind, also!“ Das sind „Argumente“ die angebracht werden.

Die Betreuung der Kinder welches das physische mit einschließt sind 1/3 der Hauptaufgaben von PädagogInnen. Diese ist meiner Meinung nach nicht erfüllt, wenn die PädagogIn nachlässig mit Regelung seitens des Elternhauses umgeht, die absolut leicht umzusetzen sind. In einer Einrichtung in der ich arbeitete war ein kleines nicht-muslimisches Mädchen, die Veggie ernährt werden sollte. Dies konnte man auch einhalten.

Schlimm aber ist, dass das von Respektlosigkeit gegenüber den Werten und Ignoranz gegenüber der Familie selbst zeugt. Nach mehr als 50 Jahren, dass muslimische Familien in diesem Land leben und ein Teil dieses geworden sind auf solche Situationen zu stoßen ist ein echtes Armutszeugnis der jeweiligen Personen.
Ich frage mich, wie man unter solchen Umständen ein gutes Vertrauensverhältnis aufbauen soll welches wichtig für die kindliche Entwicklung ist?!

„Alles, was Ihr für Euch von den Menschen erwartet, das tut Ihnen auch.“
Matthäus 7,12

Sei doch dankbar, dass du hier überhaupt studieren/zur Schule darfst.

meyeBildquelle: Meryem Bercin – meyebe.wordpress.com

Ich habe in letzter Zeit wieder viele Gespräche darüber geführt, wie meine früheren LehrerInnen mit mir, meiner Religionszugehörigkeit und vor allem mit meinem Kopftuch umgegangen sind.

Mir ist eine Gegebenheit eingefallen, in der eine Lehrerin das Kopftuch „kritisierte“ und ich versuchte gegen ihre „Kritik“ zu argumentieren. Irgendwann (als ihr nichts mehr einfiel) sagte sie:

„Weißt du Eşim, sei doch dankbar, dass du überhaupt hier zur Schule gehen darfst. Wenn du da wärst, wo du herkommst, dürftest du wahrscheinlich als Mädchen gar nicht die Schule besuchen.“

Ich glaube das war irgendwann in der 7. Klasse.
Ich wusste gar nicht, dass Mädchen aus der Kleinstadt (in Deutschland!) aus der ich komme die Schule nicht besuchen dürfen. Erschreckend!

Als ich auf der Oberstufe war und mit einem meiner Lehrer über Diskriminierung bei der Studienplatzvergabe (ja, so einen Fall gab es damals) von Mädchen mit Tuch sprach, meinte er mit ernster Miene: „Ich weiß gar nicht, wieso sich manche so anstellen. In der Türkei, wo ihr doch herkommt, dürftet ihr mit Tuch gar nicht erst das Uni-Gelände betreten. Studiert doch einfach irgendwas, nicht jeder kann das bekommen was er möchte. Hier dürft ihr wenigstens studieren.“

Abgesehen davon, dass die Lehrerin in der 7. Klasse und der Lehrer aus der Oberstufe (noch) nicht verstanden haben, dass „da wo ich herkomme“ eine Kleinstadt in Deutschland ist, war ihre Argumentation immer die, dass wir doch dankbar für das sein sollten, was „wir“ hier alles dürften.

„Wir“ = „Die mit Kopftuch, die von ‚woanders‘ herkommen“

Heute ist mir eine Passage aus der Autobiografie von Malcolm X eingefallen, mit der ich zu diesen Meinungen Stellung beziehen möchte:

„…oder dass eine Universität im Süden einen  schwarzen Studienanfänger eingeschrieben hatte, ohne dass die Nationalgarde ihre Bajonette aufpflanzen musste. Wenn ich so „abschweifte“, dann zappelte der Moderator am Haken: „Ahhh! Nun, Mr. Malcolm X –  Sie können nicht leugnen, dass das ein Fortschritt für Ihre Rasse ist!“
Das war der Moment, die Leine stamm zu ziehen: „Ich kann nicht einen einzigen Schritt tun, ohne mit etwas über ‚Fortschritte bei der Verwirklichung der Bürgerrechte‘ anhören zu müssen! Weiße glauben anscheinend, der Schwarze müsste in einem fort „Halleluja“ jauchzen! Seit vierhundert Jahren steckt das Messer des weißen Mannes im Rücken der Schwarzen – und jetzt fängt der Weiße an, das Messer ein winziges Stück herauszuziehen. Dafür sollte der Schwarze dankbar sein? Nun, selbst wenn der Weiße das Messer in einem Ruck ganz herauszöge, es bliebe immer noch eine Narbe zurück.““

(Malcolm X – Die Autobiografie, S. 285)

Ich weiß, dass das ein krasser Vergleich ist, aber das Denken und die Herangehensweise ist meiner Meinung dieselbe. 

Fereshta Ludin – Die mit dem Mut.

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Am Pfingstwochenende durfte ich eine Lesung von Fereshta Ludin und Sandra Abed (Co-Autorin) moderieren. Sie haben gemeinsam die Biografie von Fereshta Ludin „Die mit dem Kopftuch“ geschrieben.

Fereshta Ludin zog vor Jahren von Gericht zu Gericht, um sich ihr Recht zu erkämpfen mit dem Tuch als Lehrerin arbeiten zu dürfen.

Das war der Anfang einer jahrelangen, noch bis heute andauernden „Kopftuchdebatte“.

Das Kopftuch ist dadurch keine Sache mehr, die man nur ablehnen kann oder dagegen grob und gar rassistisch vorgeht. Durch Fereshta wurde das Kopftuch zu etwas, wofür es sich lohnt zu kämpfen, wofür es sich lohnt eventuell vor Gericht zu gehen und den Menschen zu zeigen, dass es ein Teil des Selbst ist, ein Teil der Identität.

Als ich Fereshta und Sandra sah, umarmten sie mich herzlich. Ich stellte sie kurz dem Publikum vor, das kaum mehr in den großen Raum passte, und die beiden begannen Fereshtas Geschichte zu erzählen. Sie erzählten von ihrem Leben und unterstrichen dieses mit kurzen Passagen aus ihrem Buch.

Das eigentliche Highlight für mich war aber etwas anderes.

Nach dem ich die Lesung mit ein paar Schlussworten abgeschlossen hatte und wir die Fragerunde hinter uns gebracht hatten, bildete sich eine Schlange zu Fereshta.

Ich stand die ganze Zeit neben ihr, während sich ein Mädchen nach dem anderen bei Fereshta für ihren Mut bedankte und das, was sie für uns Frauen mit Tuch getan hat. Ich sah Mädchen, welche vor Überwältigung weinten und Kraft, Mut und Inspiration aus den Worten Fereshtas schöpften.

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Fereshta und Sandra gaben dem Buch den Titel „Enthüllung der Fereshta Ludin – Die mit dem Kopftuch“, doch für mich ist sie die mit dem Mut! Die Frau, die es gewagt hat zu tun, was alle muslimischen Mädchen denken, wenn sie wegen ihres Tuches diskriminiert werden – für die eigenen Rechte kämpfen!

Fereshta hatte den Mut und die Kraft von einem Gericht in den Nächsten zu ziehen! Ein Mädchen sagte mir nach der Lesung: „Ich würde mich das nicht trauen. Und ich würde es auch nicht schaffen.“ Ich nickte nur, und sagte leise: „Ich glaube ich auch nicht.“

Doch sie hat es sich getraut und sie hat es auch geschafft!

Als das Kopftuchurteil 2015 von Bundesverfassungsgericht korrigiert wurde, fragte ich mich was Fereshta wohl empfindet? Nach so vielen Jahren hatte sie ihr Ziel erreicht.

Als Fereshta dann während der Lesung den Tränen nah war und kurz stocken musste als sie über das Urteil sprach, wusste ich es. Alles Lob gebührt Allah, dem Herrn der Welten.

Ich möchte mich bei Fereshta bedanken. Dafür, dass sie für mich die mit dem Mut ist. Mehr als nur die mit dem Kopftuch! Fereshta hat es sich nicht einfach gemacht, wie viele andere auch. Sie ist nicht in die Opfer-Rolle geschlüpft, hat nicht nur ein bisschen geweint und über Deutschland geschimpft, wie schlimm es hier doch sei. Nein, sie hat die Möglichkeiten, die Deutschland ihr bot, genutzt, um für ihre Rechte zu kämpfen. Sie hatte Mut und heute ermutigt und inspiriert sie junge Mädchen, nicht in die Rolle des armen kleinen „Kopftuchmädchens“ zu schlüpfen, sondern etwas zu tun! Etwas zu bewegen!

Ich wünsche mir, dass wir muslimischen Frauen beginnen, aus der Rolle des armen Kopftuchmädchens zu schlüpfen, und etwas aus unseren vielfältigen Talenten zu machen, ohne Angst vor- und ohne Vorurteile zu unserem Gegenüber. Sich in eine Ecke zu verkriechen und alles damit zu entschuldigen, dass uns sowieso niemand mag, ist feige und vor allem nicht wahr.

So sollten wir beginnen uns als das zu sehen und so zu handeln, wie wir möchten, dass andere uns sehen und sich uns gegenüber verhalten.

Fotos: FlorianIXberg

Kinder. Karriere. Kinder & Karriere.

Bevor ich das richtige Studium für mich entdeckt hatte bin ich einen kleinen fehlerhaften Weg gegangen. Ich habe für 2 Semester International Business studiert. Das Studium lief nicht besonders gut. Das lag unter anderem daran, dass ich das Fach nicht studieren wollte aber Sätze wie: „Wenn du schon studierst dann mach auch was gscheits!“ mich leiteten, oder auch, dass weder der Ort an dem ich studierte noch die Menschen mit denen ich studierte mich erfüllten. Ich habe also nichts für mein Studium getan weil ich das Studium hasste. Weil ich es nicht wollte. Beim Gespräch mit einem hochschulinternen Studienberater fiel die Frage was ich bildungstechnisch überhaupt erreichen möchte. Meine Antwort war, dass ich gerne einen hohen akademischen Grad erlangen möchte in einem Bereich in dem ich aufgehen kann und damit der Gesellschaft gutes tun kann. Er riet mir, den Titel den ich haben möchte auf ein Plakat zu schreiben und es mir in der Wohnung zu hängen – irgendwo, wo ich es gut sehen kann.

So kommt es, dass ich jetzt ein Blatt an meiner Tür kleben habe mit einer Aufschrift, was ich in meinem akademischen Werdegang erreichen möchte.

Als ich einmal Besuch von einer Freundin hatte, die zuvor noch nie bei mir war, entdeckte sie das Plakat und fragte etwas verwundert: Das willst du erreichen? Du willst Karriere machen? Auf die Antwort „Ja!“ fragte sie, ob ich denn keine Kinder wollen würde. „Doch, klar will ich Kinder!“ antwortete ich ganz selbstverständlich.

Ich dachte noch lange über die Situation nach. Noch bis heute und mir stößt eine Grundproblematik auf, die auch in meinem Studium immer wieder diskutiert wird.

Wieso immer: entweder – oder? Was wollen Frauen? Was sollen Frauen dürfen – und was nicht? Und wer soll da eigentlich bestimmen dürfen?

Das Thema der Frau in Anbetracht von Beruf und Familie ist ein aktuelles Thema und etwas, woran gerade gesellschaftlich und auch politisch sehr stark gearbeitet wird. Was müssen Frauen eigentlich so alles sein?

Frauen stehen meist unter sehr großem Druck. Sie sind die, die Kinder zu Welt bringen (sollen), sie sind aber auch Arbeitskräfte die genutzt werden möchten.

In dem Moment als ich diese Frage gestellt bekommen habe, als würde das Eine das Andere ausschließen, fragte ich mich: wieso entweder – oder? Wieso sollte ich nicht beides haben können?

Frauen sind die Art von Gesellschaftsgruppe über die alles und jeder diskutiert. Ständig werden den Frauen neue gesellschaftliche Richtlinien eingetrichtert (die sicher nur gut gemeint sind) was die Frauen wollen sollen, was sie erreichen wollen und wo sie sich später sehen sollen. Dies nennt man dann freundlich Emanzipation oder Feminismus um dem ganzen einen Namen zu geben und es als reine positive Entwicklung zu sehen. Man geht nämlich ständig davon aus, dass das, was man gerade selbst für am Besten hält und was man sich selbst wünscht sicherlich alle anderen sich auch wünschen und es sicher das Beste für alle ist.

Wie dem auch sei – es gibt Frauen, deren primäres Ziel im Leben die Karriere ist. Sie finden Erfüllung beim Studieren, Lehren und Arbeiten. Es liegt ihnen und sie sind gut darin und glücklich damit.

Dann gibt es Frauen, die Erfüllung darin finden primär Ehefrau und Mutter zu sein. Diese Frauen sind mittlerweile in der Gesellschaft nicht mehr sehr „angesehen“. Man schämt sich etwas dafür, dass man „nur Hausfrau“ ist und vergisst dabei selbst manchmal, dass das ein 24/7 Job ist. Mit den ganzen Debatten über die Gleichstellung der Frau mit dem Mann und evtl. umgekehrt hat man vielen Frauen eine Stimme verliehen. Man hat gezeigt, dass Frauen mehr können. Mehr sind. Frauen sind mehr und individueller als das, was die Gesellschaft sagt, was sie seien. Doch hat man dabei eine Gruppe von Frauen übersehen die ich nicht unerwähnt lassen möchte. Eine Gruppe, die auch vorhanden ist, und der das Recht auf ihre Entscheidung nicht verweigert werden darf. Die Frauen, die ihre Erfüllung darin finden, primär Mutter und Ehefrau zu sein.

Doch dann gibt es Frauen die eben beides wollen – und das zu Recht! So wie sich kein Mann zwischen Familie und Beruf entscheiden muss, (primär deshalb, weil der Mann nicht das Kind auf die Welt bringt und stillen muss etc.) so sollte der Frau auch die Freiheit gegeben sein, beides tun zu können, wenn sie das wünscht. Wieso muss eine Frau ihre Wünsche, Bedürfnisse und Sehnsüchte für andere Wünsche, Bedürfnisse und Sehnsüchte aufgeben oder sie hinten dran stellen? Wieso kann sie nicht für sich selbst entscheiden, was das Beste für sie, ihre Familie und ihre Kinder ist?

Ich könnte noch ewig über dieses Thema schreiben, doch soll meine Message eine bestimmte sein:

Was wollen Frauen eigentlich?

Frauen wollen unterschiedliche Dinge. Ganz unterschiedliche Dinge die alle berechtigt sind. Frauen wollen Dinge, die akzeptiert werden müssen.

So sollte sich keine Frau als Rabenmutter fühlen müssen, wenn sie ihr Kind früh in die Kita gibt, um weiterhin Karriere machen zu können, und ihre beiden Sehnsüchte zu erfüllen, noch sollte sich eine Frau „schämen“ müssen, weil sie nicht studiert hat, sondern Mutter war und ist.

Frauen sollten selbst entscheiden dürfen, was sie wollen. Und sie sollten sich frei von gesellschaftlichen Ansichten und Anforderungen diese Wünsche erfüllen können.

„Was wollen Frauen eigentlich“ mit der Antwort „–DAS! wollen Frauen“ zu beantworten, wäre eine grobe und ungerechte Pauschalisierung, von denen wir zur Genüge haben.

Frauen sind wunderbar unterschiedliche Wesen, wie ihre Gegenstücke es ebenso sind.

Es wäre eine Entwürdigung ihrer Besonderheit, sie auf einige wenige Rollenbilder zu beschränken und sie in eine Ecke zu drängen, wenn sie in mehreren Ecken gleichzeitig leben könnten.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte.

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Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir vielleicht sagen, dass ich etwas zu jung war, als ich begonnen habe es zu tragen. Mit 10. Es würde mir vielleicht sagen, dass ich den Rat meines Vaters, wie damals mit 8 Jahren wieder folgen sollte, und es erst dann aufsetzten sollte, wenn ich verstanden habe wieso ich es tun soll.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir vielleicht aber auch danken. Nein – es würde mir mit Sicherheit danken.
Es würde mir sagen: danke, dass du mich auf behalten hast, nach dem du dich für mich entschieden hast, egal, was du dir wegen meiner Existenz anhören musstest.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es zu meinem 11 Jährigen Ich sprechen, welche damals, beim Betreten des Sport Unterrichts in der 6. Klasse von einer Lehrerin den Satz: „Setz mal den Scheiß auf deinem Kopf runter!“, anhören musste, dass es okay von mir war zu weinen, nach dem ich die Halle verließ und Nachhause rannte.
Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir auch sagen, dass meine Wut berechtigt war, als meine Klassenlehrerin sich nicht einmal bereit erklärte ein 3er-gespräch zu führen um diesem Missstand ein Ende zu bereiten.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir sagen, dass es es mutig fand, dass ich auf die Frage der Berufsberaterin – die in der 8. Klasse zu Besuch in der Schule war und mich beim Einzelgespräch sofort auf die schlechten Chancen mit dem Tuch ansprach – ob ich mein Kopftuch denn bereit bin für einen Ausbildungsplatz abzusetzen mit einem bestimmten Nein! Antwortete. (und die anderen -zig Male danach ebenso)

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir sagen, dass ich nicht auf die Blicke und Worte aller Menschen achten sollte, die mich auf der Straße angaffen und mir „Kopftuchschlampe!“ hinterher rufen und dann weg laufen, weil sie zu schwach sind, sich einem niveauvollen Dialog hinzugeben.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir sagen, dass es mit mir erst gar nicht anfangen will über die Medien zu sprechen.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir sagen, dass es die richtige Entscheidung war weiter zu mit der Schule zu machen, obwohl ein Lehrer mir in der Oberstufe sagte, dass ich auch mit dem Abitur nichts anständiges finden würde, solange ich es trage.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir sagen, dass es genauso erschrocken war, als ein Kunde, nach dem ich ihn bedient hatte zu mir sagte: „Sagen Sie dem Chef bitte, dass ich von keinem Kopftuch-Mädchen mehr bedient werden möchte – schließlich ist das hier ein Cafe, keine Moschee!“.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir sagen, dass Es es genauso als schlimm und hoffnungslos empfand, als man mitten auf der Straße, beim Vorbeilaufen versuchte, Es von meinem Kopf zu reißen und dann weg rannte. Es würde mir sagen, dass es genauso geschockt ewig da stehen würde, weil es nicht wissen würde, was es nun denken und fühlen soll.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir sagen, dass es sich auch hätte zusammen reißen müssen, als im Cafe am Nebentisch zwei Damen laut stark über es geredet haben, und meinten: „Diese Mädchen wollen doch nur Aufmerksamkeit mit den Tüchern und ihrem Islam!“

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir sagen, dass es genauso tagelang empört gewesen wäre, wenn eine Woche vor Praktikumsbeginn der Platz abgesagt wird, weil man sich doch entschieden habe keine Praktikantin mit Kopftuch einzustellen und dann noch den gut gemeinten Rat bekommt, dass man doch lieber das Studium abbrechen sollte, weil man mit so einer radikal-islamistischen Einstellung, die daran bemerkbar wäre, dass man sein Kopftuch nicht absetzten wolle, sowieso keinen Job finden würde. Schließlich würde niemand in der pädagogischen Branche eine schleichende Islamisierung meinerseits dulden. Mein Kopftuch würde mir sagen, dass es auch hier okay war zu weinen und verzweifelt zu sein.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir noch viele Dinge sagen, die eigentlich nicht wegen Es selbst passierte, sondern wegen der Intoleranz der Menschen in dieser Welt.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es aber auch sagen, dass es es auch sehr ermutigen fand, als ein Mann mich ansprach und sagte: „Ich finde Kopftücher ganz toll.“ und eine andere Frau die sagte: „Diese schönen Muster und Farben die Sie da immer tragen.“ und als meine Kommilitonen begannen mir einen neuen Praktikumsplatz zu suchen weil sie das absolut inakzeptabel fanden.

Wenn mein Kopftuch mit mir sprechen könnte, würde es mir wahrscheinlich sagen, dass ich nun weiß, wieso ich es trage, und dass alles was mir wegen Es passiert, mich nicht schwächer machte sondern nur stärker und selbstbewusster.
Es würde mir sagen, dass ich nicht ich wäre, wenn ich Es nicht hätte. Und es würde mir sagen, dass auch ich ein Teil von Es bin, so wie Es ein Teil von mir ist.

Und zu Letzt, wenn es mit mir sprechen könnte, würde es mir sagen, dass ich aufhören sollte, mir immer mehr und immer mehr zu kaufen, da ich schon genug besitze.

ChancenUNgleichheit.

Eine Nachricht an die Bildungspolitik(erInnen): Ihr seid sch…lecht!

Da muss man sich mit jungen Jahren, wo man doch sowieso durch die dreckige Gesellschaft soviel zutun hat, ein Semester lang von Amt zu Amt schlagen um ein bisschen Ausbildungsförderung zu bekommen und es klappt einfach nicht!

Da wunder man sich dann, wieso Jugendliche mit Migrationshintergrund und aus sozial schwachen Familien nicht den gleichen Bildungsstand haben, wie Jugendliche ohne.
Ganz einfach: weil ihr mit euren widerlichen Regelungen und ChancenUNgleichheiten die man immer und überall spürt, es diesen Menschen nicht einfach macht, sondern viel schwerer als es sonst schon ist. Und ihr seid ihnen auch keine Hilfe sondern eine Last und eine Erschwernis!
Danke, dass ihr die Schere der ChancenUNgleichheit immer mehr trennt und auseinander reißt. Eure Gesellschaft wird es euch danken!

Unverschämt, dass in solch einer Gesellschaft und in so einem Land noch Leute darüber nachdenken müssen, ihr Studium abzubrechen, weil sie es einfach nicht finanzieren können. Und dann in allem möglichen Shows und Runden so tun als sei man die Spitze des Guten!

Doch lieber steckt man das Geld in Waffen, Kriege, Banken und in die Wirtschaft, statt in die Bildung, die Gesellschaft, Familien und anderen viel wichtigeren Dinge!

Als sei Bildung nur etwas für Reiche?! Wo bleibt die Unterstützung? Wo die Treue zum Grundgesetz? Wo die Einhaltungen der ganzen Versprechen?!

Ich möchte euch nochmal sehr gerne an euer Grundgesetz erinnern. Scheint als wäre es irgendwie in Vergessenheit geraten!

Im Artikel 3 Absatz 3 des deutschen Grundgesetzes heißt es: „Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Dies sollte ebenso für die soziale Herkunft gelten!