Wieso ich Anwältin werden wollte. Wieso ich Pädagogin (werde) geworden bin.

Seit dem ich denken kann wollte ich Anwältin werden. Ich wollte in einem Gerichtssaal stehen, mit meiner Robe über meinen Schultern, bei dem Gedanken alleine fühlte ich mich groß und so, als könnte ich jemandem etwas Gutes tun – dem, der neben mir sitzt.

Ich wusste schon immer Ungerechtigkeiten zu erkennen, diese zu verurteilen und die Menschen bestrafen zu wollen – in dem Maße, wie sie es verdient haben. Ja ich finde, es sollte Strafe geben – im verdienten Maße.

Ich habe nie in die Gesichter der Menschen lachen können, von denen ich wusste, dass sie andere zum Weinen bringen. Ich habe es nie geschafft mein Gewissen zum Schweigen zu bringen, auch einmal „böse“ zu sein, damit ich etwas habe/bekomme, dass ich wollte, nie aber sonst haben könnte. Ich war immer zufrieden damit. Ich war bekannt als die, die immer versucht das Richtige zu tun – die meisten meiner Klassenkameraden haben mich auf Ausflügen gehasst, die meisten LehrerInnen benutzen mich als Hilfsbetreuerin. Kein Witz! 

Ich sitze wieder an meinen Laptop, jetzt gerade im Moment seit ca. 3 Stunden und versuche eine blöde Hausarbeit zu schreiben. Früher habe ich es geliebt nun aber, wo Stress mein stetiger Begleiter geworden ist, will ich sie nur noch schreiben und abgeben. Mit der Hoffnung auf einen baldigen Titel als  Pädagogin. Ja, ich habe mich gegen ein Jura -Studium entschieden. Wieso, wenn ich doch so viel mehr Prestije und vor allem Geld hätte haben können? 

Es geht um die Ungerechtigkeit, die mich viele Nächte nicht schlafen lässt, die mich viele Tränen gekostet hat, viele Nerven, viele Tage, in denen ich versuchte mit ihnen klar zu kommen – es gelang nie – bis heute nicht. 

Anwälte, Richter – sie bestrafen jemanden, nach dem er eine Tat begangen hat. Erst wenn etwas passiert, so in Deutschland, kann auch wirklich etwas unternommen werden. (so krank es auch klingt). Als Juristin also sorge ich dafür, dass das „böse“ hinter Gittern kommt, aber das „Böse“ hat sich zuvor schon entfalten können. 

Als Pädagogin kann ich es vielleicht schaffen, dass Böse in dem Menschen zu ersticken und statt dessen den Platz mit Liebe zu füllen? So, dass gar keine bösen Taten mehr gemacht werden? So dass er gar nicht vor den Richter treten muss? 

Ich mag meine Hausarbeit noch immer nicht. Auch nach diesem Text nicht. Aber ich mag den Gedanken, mit dem Titel, den mir u.a. diese Arbeit bringt möglicherweise, in Zukunft, irgendwann einmal etwas Böses verhindern zu können! 

 

Vom Flüchtling zum Überdeutschen.

Jeden Tag lese ich von irgendwelchen Forderungen an die Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen. Irgendwelche Programme, die mit ihnen durchgeführt werden sollen, damit sie dieses oder jenes Gedankengut (welches man ihnen oft einfach unterstellt) ablegen. Gerade lese ich, dass Flüchtlinge nun die früheren KZLager besuchen sollen, um ihnen verständlich zu machen, dass das Judentum, Juden und Jüdinnen zu unserem Land gehören, was sie selbstverständlich ja tun!

Ok, vielleicht eine gute Idee an sich – Wertevermittlung, daran kann ja nichts falsch sein.

Vielleicht sollte man aber zuvor die dorthin schicken, zum Erinnern und Klarmachen von einigen Dinge, die fast wöchentlich ein Flüchtlingsheim anbrennen und/oder angreifen. Vielleicht sollte man Pegida, AfD und Freunde dorthin schicken?

Ich verstehe es nicht! Wieso verlangen wir von Menschen die gerade aus einem Trauma, einem Krieg geflüchtet sind so viel, was wir selbst nicht sind, nicht waren und wahrscheinlich auch nie sein werden können!? Wir wollen aus dem Flüchtling einen Überdeutschen machen, wir verlangen regelrecht von ihnen Überdeutsche zu werden, wo wir doch nicht einmal selbst wirklich definieren können, was es bedeutet -Deutsch- zu sein!

Wieso eigentlich der ganze Stoff?

Viele fragen sich, wieso muslimische Frauen ein Kopftuch tragen. Ich habe auf meiner Facebook-Seite nach gefragt und den jungen Mädchen versucht eine Stimme zu verleihen! Viele erklären ihre Motivation zum Tragen des Kopftuchs, viele aber, darunter auch ich, verstehen nicht, wieso sie sich (noch immer) erklären müssen.
Meine Meinung, als eine die es seit 13 Jahren trägt: ich trage es eben. Wieso? Das sei mir selbst überlassen. Niemand fragt danach, wieso man eine Hose trägt oder eine Bluse. Das Kopftuch sollte endlich auch als ganz normales Kleidungsstück von einigen Mitbürgerinnen anerkannt werden. Die ständige Erwartung anderer, Erklärungen abzugeben über eine Sache, die normal ist und auch sein sollte baut keine Brücken sondern schafft eine Befremdlichkeit untereinander. Das schadet dem „Wir“ welches vorhanden sein sollte und wofür sich viele Muslime und Nicht-Muslime aktiv einsetzen.

Nach diesem kleinen Vorwort möchte ich euch die Antworten meiner LeserInnen präsentieren. Viel Spaß!

Shiwa, 20 Jahre – seit 2 Jahren Kopftuchträgerin:
„An aller erster Stelle: Es ist Pflicht und Allah hat es uns auferlegt. As easy as that! Alles andere sind, wie eine gute Freundin    mal gesagt hat, positive Nebeneffekte.“

Emine, 25 Jahre – seit ca. 6 Jahren.
„Why not?
Es ist so persönlich, so tief spirituell, dass die Frage danach befremdlich ist.Mit meinem Kopftuch nehme ich mir ein Recht, das vielen anderen Menschen in diesem Land auch zusteht :Unhinterfragt sie selbst sein zu dürfen . Das warum empfinde ich deshalb immer als die falsche Frage, die es für mich zu entmaskieren gilt.“

Ouassima, 21 Jahre
„Weil ich’s kann.“

Beyza, 23 Jahre – seit 9 Jahren
„Religiöse Pflicht (Punkt). Ansonsten erkläre ich niemanden was. Seit 9 Jahren bin ich ein laufendens aufklärungs/informationszentrum für den Islam – es reicht.“

Kübra, 16 Jahre – seit
„Ich trage ein Kopftuch weil ich mich dazu bereit fühle eine große Verantwortung zu tragen: Ich repräsentiere eine Weltreligion mit meinem Benehmen in der Öffentlichkeit. Zudem bin ich frei, weil ich mich nicht gezwungen fühle, mich irgendeinem Standart, den die Gesellschaft festgelegt hat und der mir nicht gefällt, anzupassen. Sobald ich aus dem Haus gehe fordere ich die Menschen dazu auf mich nach meiner Persönlichkeit zu bewerten und nicht nach meiner Weiblichkeit.“

Stefan, 32 Jahre zu diesem Thema
„Eine Gesellschaft, die sich um einen Quadratmeter Stoff zugrunde diskutiert, kann ich nicht Ernst nehmen…“

Naomi, 22 Jahre – mit 16 konvertiert, mit 18 Koptuch
„Religiöse Pflicht. Klares Zeichen gegen die Degradierung „der Frau“ als (Sex-) Objekt…(ich bestimme wer was sieht, meine Schönheit gehört mir und ist nicht für jede/n bestimmt).Mehr Respekt der einem entgegengebracht wird, weniger Beurteilung nach dem Äußeren (Figur etc), ich werde mehr nach meinem Charakter und Verhalten beurteilt. Ich bestimme wer mich wie sieht, wer das Privileg hat mich unbedeckt zu sehen. Es ist wie ein Signal, ich setze ein Zeichen und wahre einen wichtigen, intimen Teil meiner Privatsphäre. Es fällt leichter Grenzen bzw Distanzen zu ziehen..erkennbar als Muslima. (Nachdem ich konvertiert bin habe ich nicht sofort getragen und bin dadurch ab und an in Gespräche geraten, in denen anti – muslimische Sprüche etc fielen.. so überlegen sich die Leute das 2 Mal bzw. erkennen mich als praktizierende Muslima.“

Gül, 22 Jahre – seit ca. 13 Jahren
„Ich muss echt sagen ich bin es leid, erklären zu müssen warum, wieso und weshalb ☺
An erster Stelle kommt einfach: es ist ein vorgeschriebenes Gebot.
Wenn man glaubt und praktizieren möchte, dann folgt man dem.
(Noch einfacher geht es, wenn man damit aufwächst) Anschließend stellt man abgesehen von der religiösen Ebene fest, dass es die Persönlichkeit stützt und zum Charakter gehört. Die persönliche Motivation kann aber bekanntlich von Mensch zu Mensch variieren, führt dann im Alter zu dem Entschluss es zu tun oder eben nicht zu tun.“

Esma – schon sehr lange ☺
„Es liegt im Auge des Betrachters; manche sagen: ich bin schön, deshalb zeig ich mehr, andere sagen: ich bin schön, deshalb zeig ich weniger! Gehörr zu den Zweiten seit Jahrzehnten! Bleibt erstma auch so.“

Yasmin, 20 Jahre – seit ca. 10 Jahren
„Ich trage es aus freier Überzeugung. Das Kopftuch ist für mich ein religiöses Gebot, das ich befolgen möchte. Natürlich spielen auch rationale Gründe eine Rolle (Ich möchte mir die Freiheit nehmen und selbst entscheiden, wer mich wie sieht; ich möchte, dass man mich nicht aufgrund von Oberflächlichkeiten, sondern aufgrund meiner Persönlichkeit beurteilt), diese sind aber nur nebensächlich und ändern nichts an der Tatsache, dass ich es für meinen Schöpfer trage, der mir diese Pflicht auferlegt hat.
Mal abgesehen davon, dass ich mit Kopftuch eine Repräsentantin der Muslime bin und erst recht auf mein Verhalten gegenüber anderen achten muss „smile“-Emoticon
20 Jahre alt, trage es seit ca. 10 Jahren.“

Dudu – seit 25 Jahren
„Ich trag mein Tuch seit ca 25 Jahren und ebensolang fragen Menschen. Dabei geht das „warum“ niemanden was an. Niemand muss verstehen, warum ich wie lebe. Die Dame muss wohl damit leben, dass es sie nichts angeht.“

Nana, 22 Jahre – seit einem Jahr
„Ich habe mir damit einen jahrelangen Wunsch erfüllt, für den ich mich zuvor von der Gesellschaft „zu unterdrückt“ fühlte, um ihn bereits in frühen Jahren umzusetzen.
Ich nahm mir das Kopftuch als Repräsentation meiner Freiheit. Mein Körper, meine Entscheidung. Ich entscheide, wer welchen Teil an mir erblicken darf, wer was an mir kennenlernen darf. Es ist wie mit einem Austausch. Du kannst deinem Gegenüber alles von dir preisgeben und du kannst dich auch auf wenige Dinge beschränken, die du für angemessen hältst zu teilen. Eine Frage des Wohlbefindens. Sowohl mit dem Austausch auf verbaler Ebene, als auch mit meinem Körper bevorzuge ich letztere Variante. Es ist eine Art der Bescheidenheit im Umgang mit der Schönheit, die Gott einer Frau hat zuteil werden lassen. Ein Zeichen der Dankbarkeit.“

Und das Beste zum Schluss:
Hülya, 33 Jahre – seit 18 Jahren
„Trage es natürlich damit mir nicht so viele Männer hinterherlaufen, hat bis jetzt ziemlich gut geklappt 😉 “

Feridun Zaimoğlu: Norddeutscher mit Migränehintergrund.

zaimoglu

Am Dienstag war ich im Literaturhaus Stuttgart und habe dort eine Podiumsdiskussion und Lesung von Feridun Zaimoğlu (Schriftsteller) und Dr. Yaşar Aydın (Sozialwissenschaftler) gehört.

Der Grund für meinen Besuch an dieser Veranstaltung war Feridun Zaimoğlu. Ich habe einige Interviews von ihm gesehen und habe gemerkt, dass seine Meinung zur Thematik der Migration, der Ausländer, zur „interkulturellen“ XY dieselbe ist, wie die meine.

Auf die Einstiegsfrage der Moderatorin was denn Heimat für sie persönlich bedeute, antwortete der Sozialwissenschaftler etwas länger. Er könne diese Frage nicht mit einem Prozentsatz beantworten, meinte er. Er speise von beiden Kulturen, und fühle sich zu beiden zugehörig. Er holte weit aus, thematisierte die Ganze Identitätsthematik und sagte wieder: ich speise aus beiden Fässern.

Als die selbe Frage an Zaimoğlu gerichtet wurde, hielt er kurz inne und sagte ganz einfach und bestimmt: Norddeutschland.

Das faszinierte mich. Ich dachte mir in diesem Moment nur: endlich jemand, der nicht anfängt mit der Migrationsgeschichte, seiner innerlichen Zerrissenheit zwischen zwei oder mehreren Kulturen und seiner Opferrolle des Heimatlosen „Türken“. Ganz einfach. Eine einfache Frage. Eine einfache Antwort.

Später erzählte Zaimoğlu von seiner Jugend und den „Türken“ die damals begannen, ihre Art und Weise zu ändern, um zu den „Anderen“, in dem Falle die „Deutschen“, zu gehören. Er beschrieb ihre „wie an einem Lineal entlang geschnittenen Haare mit Seitenscheitel“ und ihre „langweilige“ Art. Er bezeichnete diese Personen als „Ethno-Zombies“, und beschuldigt sie damit, die Identitätskrise ausgelöst zu haben. So wollte er nie sein und will er nie sein.

Später als ich die Möglichkeit nach der Lesung fand, sprach ich Feridun Zaimoğlu an und bedankte mich für seine einfache Antwort „Norddeutschland“. Ich fand es beeindruckend, dass jemand sein Selbst gefunden hat, ohne die äußeren Einflüsse so sehr in sein Unterbewusstsein zu lassen, dass er auf so eine Frage, die auch für „uns mit Migrationshintergrund“ endlich einmal einfach zu beantworten sein sollte, auch einfach antwortete. Nach einer kurzen Unterhaltung darüber, fragte ich ihn, in Anlehnung an ein altes Interview, in welchem er über die Begriffe „Kanake“ und „Türke“ diskutierte, was er denn von den neuen Begriffen wie „Migrationshintergrund“ halte.
Er lächelte mich an, wartete kurz und sagte: „“Migrationshintergrund“ erinnert mich an Migräne! Finde ich scheiße.“

Ich war auch froh darüber diese Antwort zu hören.

Ich empfinde diese Begrifflichkeiten als Hindernis für eine „gelungene Integration“, wobei der Begriff „Integration“ für mich auch ein Hindernis darstellt. Diese Begrifflichkeiten sind für mich kaum was anderes als eine Differenzierungsmöglichkeit im politischen, soziologischen, ethnologischen und sozialwissenschaftlichen Rahmen. Es macht es einem nicht einfach. Es macht es einem schwer.

Früher war es normal einen türkischstämmigen Menschen als „Kanaken“ zu bezeichnen. Irgendwann wurde das politisch unkorrekt und man sagte „Türke“. Auch das wurde irgendwann politisch unkorrekt und man sagte „Ausländer“. Und heute ist es der mit dem „Migrationshintergrund“.

Für mich haben die Worte „Kanake“ und „Migrationshintergrund“ keinerlei Unterschied in ihrer Bedeutung, da sie beide dasselbe anrichten: trennen, spalten, differenzieren und erschweren. Nur, das Eine wurde vor 20 Jahren gesagt, das Andere heute. Vom „Kanaken“ zum „mit Migrationshintergrund“ also. 

Zaimoğlu sagte gegen Ende dieser thematischen Auseinandersetzung in etwa: „Lieber nenne ich mich „fremdstämmig“ als „mit Migrationshintergrund“.
Ich finde das unglaublich mutig und gut.

Zaimoğlu sieht sich als Norddeutscher. Das sagt er ganz klar. So wie ich immer sagte, dass ich mich als Deutsche sehe. Er erwähnt während der Lesung oft, dass er ein großes Problem darin sehe, dass das „Deutsche“ immer das „zu Überwindende“ für die Jugendlichen dargestellt wird, oft auch von Gemeinden.

Das was er verinnerlicht hat, möchte ich in meiner Arbeit an die Jugendlichen und Kinder weiter geben. Es sich nicht unbedingt schwerer zu machen, als es schon ist, nur weil es sozio-politische Begrifflichkeiten gibt, die meiner Meinung nach bewusst zur Trennung führen sollen, sondern auf eine einfache Frage, eine einfache Antwort geben zu können. Dafür kämpfe ich.

Und wie Zaimoğlu am Dienstag mir in die Augen blickend sagte:
Ich liebe den Kampf. Kämpfen ist was tolles! Und ich sehe dir an, du hast viel gekämpft und kämpfst gerade in diesem Moment. Und dein Kampf wird noch lange gehen und er wird nicht einfach sein. Dafür wünsche ich dir viel Kraft. Aber der ständige Traum von Harmonie ist nicht real. Kämpfen – kämpfen ist was Echtes!“

Zu ähnlichen Thematiken:
https://esimmasallah.wordpress.com/?s=migration
https://esimmasallah.wordpress.com/2014/12/15/ich-bin-das-volk/
Foto: Deutsch Türkisches Forum Stuttgart

70 Jahre Freiheit. #Auschwitz70

„Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee der Sowjetunion das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. Seit dem ist der Begriff Auschwitz das Symbol dafür, wohin Ausgrenzung, Hass, Antisemitismus und faschistischer Vernichtungswille führen: in millionenfaches Leid…“ -Fraktion DIE LINKE (http://www.linksfraktion.de/nachrichten/hass-ausgrenzung-konsequent-entgegentreten/)

„Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, daß ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen.“ (Theodor W. Adorno, Gesammelte Schriften, Suhrkamp © Theodor W. Adorno-Archiv, Frankfurt)

Wenn wir darüber sprechen, dass sich so etwas wie damals nicht noch einmal zutragen darf, dann ist keine Erklärung nötig wieso wir das finden. Das primäre Ziel unserer  Gesellschaft, der Bildungseinrichtungen und -institutionen sollte es sein, Kinder und Jugendliche zu solch‘  Wesen zu „erziehen“ und zu bilden, dass sie eigenständig, in Mündigkeit erkennen, was „gut“ und was „böse“ ist. Die höchste Priorität ist es, Menschen heranzubilden, die ihren Verstand benutzen (können), differenzieren, umdenken und verändern können. Adorno spricht hier von einer „Erziehung zur Mündigkeit“.

„Nach Adorno ist Mündigkeit, in Anlehnung an Kant, ein Aspekt der Persönlichkeit, die die Fähigkeit eines Menschen meint, vernünftig und autonom handeln zu können. Dies bedeutet die eigenständige und unabhängige Meinungsbildung, kritische Reflexion, deren angemessene Artikulation, das Hinterfragen, ggf. Kritisieren der Gegebenheiten und Intentionen sämtlicher Geschehnisse. Diese Fähigkeit sei keineswegs angeboren, sondern müsse sich erst entfalten, woran sowohl die Familie als auch die Gesellschaft beteiligt seien. Mündigkeit beziehe sich auf alle Bereiche des Lebens und in jedem müsse sie erst erlernt werden.“  (http://wiki.bildungsserver.de/index.php/M%C3%BCndigkeit#Kant {Hervorhebungen durch mich})

So muss sich jede Institution, jedes Familienmitglied, jedes Vorbild, jeder Kinder- und Jugendverein und jede Gemeinde vor Augen führen, welche eine Verantwortung sie trägt.

Dazu schreibt er auch:  „Menschen, die blind in Kollektive sich einordnen, machen sich selber schon zu etwas wie Material, löschen sich als selbstbestimmte Wesen aus.“ (Theodor W. Adorno, Gesammelte Schriften, Suhrkamp © Theodor W. Adorno-Archiv, Frankfurt)

„Ich kann nicht verstehen, daß man mit ihr bis heute so wenig sich abgegeben hat. Sie zu begründen hätte etwas Ungeheuerliches angesichts des Ungeheuerlichen, das sich zutrug. Daß man aber die Forderung, und was sie an Fragen aufwirft, so wenig sich bewußt macht, zeigt, daß das Ungeheuerliche nicht in die Menschen eingedrungen ist, Symptom dessen, daß die Möglichkeit der Wiederholung, was den Bewußtseins- undUnbewußtseinsstand der Menschen anlangt, fortbesteht.“ (Theodor W. Adorno, Gesammelte Schriften, Suhrkamp © Theodor W. Adorno-Archiv, Frankfurt)

Auschwitz und alles was damit zusammenhängt darf nicht noch einmal passieren! Das kann nur geschehen, wenn wir aktiv dagegen arbeiten. JedeR SchülerIn hat in der Schule mindestens 3x im Geschichtsunterricht dieses Thema durch genommen. Doch bleibt die Frage, wie viel hängen bleibt. Verstehen die Menschen, was dazu geführt hat, dass das passieren konnte, oder sehen sie nur das Ende? Denn nur wenn man weiß, wie etwas zustande kommt, kann man den Weg versperren, wenn einige versuchen diesen Weg wieder zu gehen. Doch wenn man nur das Ende einer Geschichte kennt, so wird man die Wiederholung erst erkennen, wenn sie wieder zu Ende ist – dann ist es aber zu spät! So darf nichts, was ansatzweise in diese Richtung geht verharmlost oder als „nur eine Phase“ betitelt werden. 

Somit ist  es die Aufgabe jedes einzelnen Bürgers die Erinnerungen frisch zu halten – wie sehr sie auch schmerzen – um zu verhindern, dass so eine Grausamkeit auch nur ansatzweise wieder zustande kommt.

Und ich glaube an mein Land – ich glaube an Deutschland. Dass es  ein  buntes, vielfältiges und offenes Land  ist!

(Einen längeren  Teil  der Schrift findet ihr unter: http://www.zeit.de/1993/01/erziehung-nach-auschwitz/ )

Migration.

„Migration ist meist ein hoffnungsvoller, mit großem Gestaltungswillen verbundener Prozess, der auch eine Herausforderung im Positiven darstellen.“
(Ingrid Gogolin, 2001, S. 1032) (Hervorhebungen durch mich)

Herausforderung?

Die erste Herausforderung die Kinder mit Migrationshintergrund haben ist, dass sie immer als „Kinder mit Migrationshintergrund“ betitelt und als diese abgestempelt werden. Nach dem Motto: Willkommen in der Schublade der ‚Statistikenfüller’ und Versager.

Wir sehen Migration oft als negative Herausforderung (für uns als PädagogInnen und auch für die Kinder). Doch sehen wir nie das Positive hinter dem Bild.

Kinder mit Migrationshintergrund müssen sich in der Gesellschaft immer mehr behaupten. Sie werden nicht nur von der Bildungsgesellschaft unter Druck gesetzt, sondern haben zusätzlich den Druck im Zuhause „Oglum/Kizim, okuda Adam ol!“ (sinngem.: Mein Kind, studier’/lerne und werde zu einer bedeutenden/erfolgreichen Person) und sie setzten sich immer mehr selbst unter Druck. So werden Kinder und Jugendliche nicht nur von außen getrimmt, sondern sie trimmen sich im Inneren auch selbst.

Denn sie wissen: wenn sie eine Zeit lang „schwach“ sind, zeigt man mit dem Finger auf sie. Sie sind dann die schwachen „Türken/Araber/xy…-Kinder“. Sie werden Teil einer schlechten Statistik wovon es zur Genüge gibt und sind nicht einfach nur in einer schlechten Phase.

Es werden Statistiken über sie erstellt und immer wird über sie gesprochen, statt auf die Idee zu kommen einmal auch mit ihnen zu sprechen. Die Personen die dann versuchen mit ihnen zu sprechen, sind Personen zu denen sie keinerlei Zugang haben. Ist sowas zielführend?

So sind Kinder und Jugendliche mit „Migrationshintergrund“ immer getrimmt einen Schritt voraus zu sein um sich in der Gesellschaft zu beweisen und zu behaupten.
Wenn wir den Förderwahn der Eltern schon so kritisieren, wie sehr ist dann so eine Art zu Leben zu kritisieren? Tut das einem jungen Menschen wirklich gut?

Aber abgesehen davon ob man das gut finden soll oder nicht – was macht das mit einem Menschen?
Um sich immer behaupten und beweisen zu können, muss man sehr ehrgeizig sein, über viel Disziplin verfügen und Vertrauen in sich selbst haben. Sind dies nicht Aspekte die bemerkenswert für Menschen in so jungem Alter sind?

Ein Teil der Top-Themen in Bezug auf Migration ist die Sprache.
Mehrsprachigkeit war und ist noch immer ein hoch angesehenes Gut in der Gesellschaft. Stellen wir uns vor: wenn ein Mensch zu uns kommt und meint er/sie spricht 5 Sprachen, sind wir dann nicht beeindruckt? Welch’ ein intelligenter und kultivierter Mensch, denken wir uns.
Doch wenn es Türkisch, Arabisch, oder ähnliches ist, ist es ein Zeichen von misslungener Integration. (?) So wird deutlich, dass einige Sprachen für Fortschritt und andere für Rückschritt stehen. Doch ist Sprache nicht gleich Sprache? Ist nicht jede Sprache gleichwertig?

Ist Sprache nicht etwas, dass die Welt verbindet und eint? Ist sie nicht ein Gut, das Welten bewegen kann?
So sollten wir Sprache als wertvoll und als wichtiges Gut ansehen und das so auch (in unserer Arbeit und unseren Alltag) kommunizieren.
Kinder und Jugendliche sollten nicht als minder angesehen werden, weil sie Zuhause eine andere Sprache sprechen oder gar Ablehnung erfahren.
Im Gegenteil, sie sollten wissen, dass das eine Ressource ist, die sie auch für die Gesellschaft nutzen können. Schließlich soll laut SGB 8 jedes Kind zu einem gesellschaftlich-sozialen Wesen herangezogen werden.

Stellen wir uns einen Selbstfindungsprozess vor, die Identitätsbildung eines jungen „Migranten“.
Als Migrant in einer deutschen Gesellschaft – zu welcher Seite gehört man?
Die Frage ist eine sehr zentrale Frage bei Kindern und Jugendlichen mit Mh.. Aber die entscheidende Frage die sich stellt: wieso muss man sich zwischen den Stühlen entscheiden?

Es gibt 3 Varianten die man hier anwenden könnte:
1. Man entscheidet sich für einen Stuhl der beiden: das führt entweder zu Assimilation oder zu „misslungenen Integration“.
2. Man entscheidet sich für keinen der beiden Stühle. Also steht man zwischen den Stühlen. Zwischen den Stühlen stehen bedeutet oft zu keiner Seite gehören. Ist dies förderlich für eine Identitätsbildung in solch „kritischen Lebensjahren“?
3. Man entscheidet sich für beide Stühle.

Variante 3 ist eines der Varianten die oft von der Gesellschaft als nicht-möglich betitelt werden. Doch frage ich nun, wieso sollte dies nicht möglich sein? Wieso muss man entweder das Eine oder das Andere sein? Wieso kann man sich nicht beiden Seiten zugehörig fühlen, zwei Stühle zu einem umbauen und seinen eigenen Identitäts-Stuhl entworfen haben?
Wieso kann man nicht zum Beispiel sagen: ich bin hier geboren und aufgewachsen. Ich sehe und definiere mich als Deutsche/r. Die Herkunft meiner Eltern sehe ich als Bereicherung und wertvolles Gut an, dass ich nicht ablegen möchte.

So sollten wir beginnen „Migration“ nicht nur immer mit negativen Dingen zu verbinden sondern mit all ihren Teilen (Sprache, Kultur, Geschichte…) als Bereicherung und Ressource wahr- und anzunehmen.

(Erklärung: Dieser Text ist ein Ausschnitt einer Präsentation die ich im Rahmen meines Studiums angehalten habe. Deshalb ist er vielleicht etwas unstrukturiert, da einige Teile aus dem Kontext gerissen sind. Ich habe versucht ihn so gut wie möglich zu ergänzen, damit man versteht, worauf ich hinaus möchte.
Dennoch wollte ich es hier teilen, da ich Dinge angesprochen habe, die mir persönlich sehr am Herzen liegen.)