8 Minuten Todesangst.

Ich selbst leide seit meiner Kindheit an Flugangst.
Es ist nicht einfach nur ein „Oh, Gott, es wackelt!“, sondern ich fange panisch an zu weinen wenn das Flugzeug abfliegt, bin wie in einer Starre den kompletten Flug über und spüre meine Knie nicht mehr und beim Anflug ist es wie beim Abflug – Todesangst! Wenn es dann noch „Komplikationen“ gibt, dann – ich weiß nicht was dann, dieser Moment ist nicht zu beschreiben.
Meine letzten Flüge habe ich nur überstanden, weil ich vom Arzt Medikamente für den Flug bekomme und sie mir massenweise einschmeiße, damit ich spätestens 15 Min. nach Einnahme schlafe wie ein Stein.

Jetzt lese ich seit Tagen mehrere Artikel über diesen „gewollten Absturz“ bei Germanwings. Am ersten Tag hat es sich noch um die Passagiere gehandelt, danach wurde alles meiner Ansicht nach widerlich!
Man hat in den Medien und vor allem aber in sozialen Netzwerken begonnen mit Spekulationen, Verschwörungstheorien – man hat es ausgenutzt, um seinen Hass an einigen Religionen zum Vorschein zu bringen, um eine Ländergemeinschaft auseinander zu nehmen, um die USA anzugreifen und und und.
Falsche Accounts wurden erstellt die beweisen sollten, dass der Co-Pilot ein Muslim gewesen sein soll, seit Tagen wird darüber geschrieben wie gefährlich die „Depression“ ist und wie gefährlich sie werden kann. Unabhängig davon, dass einige Religionen und Länder sowieso nicht so gut da stehen und psychische Krankheiten im dieser eigentlich modernen Gesellschaft immer noch nicht so Recht anerkannt bzw. akzeptiert werden, und alle, die sich wegen ihrer Depressionen schämten und/oder nicht zum Arzt gingen, es nicht ihren Familien anvertrauten, das jetzt erst recht nicht mehr tun werden.

Alles Mögliche, einfach allen möglichen Schwachsinn schreiben und sprechen sie darüber.
Ein Tag nach dem Geschehnis finden sich C-Promis/Politiker – wie kann es auch anders sein – in einer Talk-Runde wieder um sich selbst mit dem Mantel der persönlichen Berührung zur Show zu stellen.

Und das Einzige an das ich denken kann sind die 150 Personen – darunter junge Menschen, SchülerInnen, frisch gewordene Ehepaare – und die 8 Minuten (solange soll der „Absturz“ gedauert haben) in denen sie Todesangst hatten! Todesangst.
Jetzt stelle ich mir vor, wie es wohl wäre in diesem Flug gesessen zu haben, wie sehr die Passagiere geweint, geschrien und gebetet haben müssen in den 8 Minuten.

Und was dann? Ein Tag spricht man über sie, dann geht unsere egoistische, ignorante, hasserfüllte und widerliche Seite in uns auf! Und keine Sekunde denkt man an die ganzen Angehörigen, die die Artikel lesen und die Shows hören müssen, wie über alles Mögliche geredet wird – aber keiner den Anstand besitzt zu schweigen!
Schweigen aus Respekt gegenüber den Verstorbenen, den Angehörigen, den Leidenden und Trauernden.
Wie eklig ist der Mensch eigentlich? Wie selbstverherrlichend?

Selbstverständlich ist Berichterstattung wichtig – doch soll sie dazu dienen Menschen weh zu tun, oder die Gesellschaft in Kenntnis zu setzen?

Ich weiß, dass sie es nie lesen werden, aber ich wünsche allen Angehörigen viel Geduld und bete für die Verstorbenen.
Ich wünsche, dass sie alle mit Menschen sind, bei denen sie Liebe erfahren und die sie trösten und ihnen eine Stütze sein können.