Kritik an die Herrscher.

Es gibt eine Geschichte aus der Zeit des Kalifen Omar r.a. die ich vor langer Zeit einmal hörte. Omar r.a. hat nach Antritt als Kalif irgendwann beschlossen, dass er den Betrag der Brautgabe auf einen bestimmten Höchstbetrag begrenzen wolle.

Die teilte er seinem Volk bei einer Besprechung mit. Kaum hatte er ausgesprochen erhob sich eine Frau aus der Masse, und wies ihn zu Recht. Sie meinte, dass der Kalif nichts begrenzen könne, was Allah für die Frau unbegrenzt und frei gelassen hatte. Es wäre Unrecht was er damit täte. Sie sagte das vor der ganzen Masse. Ich wiederhole, gibt euch das bitte: eine Frau erhebt sich und weist den Kalifen Omar! darauf hin, dass sein Beschluss ein Fehler ist. Und was tut er?

Omar, der dafür bekannt ist, dass er stark, aggressiv, und nicht gerade zum Schmusen ist. Er gibt ihr Recht, und nimmt seinen Beschluss zurück. Die Frau setzt sich sicher und die Sache ist gegessen.

Normalerweise führe ich solche Beispiele an, wenn ich zeigen möchte, dass Frauen sehr wohl ihre Klappe aufmachen dürfen und auch sollen. Doch heute geht es mir um etwas Anderes.

Ich wurde heute darauf aufmerksam gemacht, dass ich als Muslima dazu verpflichtet sei, die Fehler der muslimischen Geschwister zu verstecken.

Ich gebe Recht: Geschwister sollten die Fehler anderer Geschwister verdecken, sie nicht vorführen. Wir wissen, Allah sieht alles, weiß alles und wird jeden einzeln zur Rechenschaft ziehen.

Doch ein Staatsoberhaupt nicht kritisieren zu dürfen, (es ging in diesem Fall nämlich um Politik und Politiker) und nicht auf seine Fehler aufmerksam machen zu dürfen – ich weiß nicht was ich davon halten soll.
Die Beschlüsse die von einem Staatsoberhaupt ausgehen betreffen nicht nur ihn selbst, sie betreffen ein ganzes Volk, betreffen auch andere Menschen, die auf ihr Recht warten(warteten), die ein Recht auf ihr Recht haben!

Sollte man dann nicht wie diese Frau aus der Geschichte auf Fehler und Unrecht aufmerksam machen? Ist das nicht eine, unsere muslimische Pflicht? Und wenn selbst Omar r.a. so cool damit umgehen kann, wieso trauen wir es dann nicht einem Erdogan oder einer Merkel zu mit Kritik umzugehen? Wieso können diese nicht von ihrem hohen Roß runter steigen und akzeptieren, dass sie evtl. eine Fehlentscheidung getroffen haben? Kritisiert man nicht Menschen, von denen man etwas hält? Ist Kritik nicht eigentlich die schönste Form von Anteilnahme und Partizipation, oder ist es doch das blinde Folgen, gut und schön reden aller Sachen?

Kritik gehört dazu – Muslime sind dazu verpflichtet auf Missstände aufmerksam zu machen, mit Hikma, also Weisheit und Recht zu sehen, zu hören und zu handeln und Zulm, also Unrecht entgegenzuwirken und abzuschaffen, egal, woher diese kommt!