Wenn der Tod eine Erinnerung ist.

Ich wollte heute eigentlich einer meiner vielen Hausarbeiten die ich schreiben muss zu Ende stellen. Aber das gelang mir nicht. 

Ich kam nicht früh genug aus dem Bett, meine Motivation war mit meiner Energie Golf spielen gegangen und mir kam alles hoch, als ich den Stapel Bücher vor mir sah, die ich brauche, um meine vielen Arbeiten zu schreiben. 

Später erhielt ich eine Nachricht. Eine traurige, schreckliche Nachricht, die mich den ganzen Tag beschäftigte. 

Während meines Praktikums in der Türkei in einer Schule für syrische Flüchtlingskinder lernte ich einen jungen Mann kennen. Er war Flüchtling. In Syrien hatte er studiert, war ein guter Sportler und vieles mehr. Er schrieb mir, dass seine Cousine und ihre zwei kleinen Kinder auf der Flucht von  Syrien nach Europa im Meer ertrunken sind. 

 

Ich habe es heute morgen nicht aus dem Bett geschafft. Ich habe es nicht geschafft mein Buch aufzuschlagen zu lesen, das Gelesene dann in eigenen Worten nieder  zu schreiben, um eine gute Pädagogin zu werden.

Ich habe mich beschwert. Über den vielen Stress den ich in der Universität und privat habe. Darüber, dass mir alles zu viel wird, und das Ganze mich lähmt. 

Heute ist mir aufgefallen, dass ich lange nicht mehr darüber nachgedacht habe, wieso ich das Ganze eigentlich mache – um etwas Gutes in der Welt bewirken zu können, um den Menschen nützlich zu sein, dadurch, dass ich ein nützlicher Mensch werde – für die Gesellschaft, für die Menschheit. 

Ist es nicht meine Pflicht etwas aus den Gaben Gottes zu machen, während viele Menschen es gerne täten, aber nicht können? Müsste mich das nicht motivieren oder anspornen? Müsste ich nicht um noch mehr Wissen, um mehr Kompetenz, um mehr Expertise streben,  um diesen Menschen vielleicht eines Tages etwas Gutes tun zu können?!

Uns geht es zu gut. Uns geht es viel zu gut! Ich habe diesen Satz früher so sehr gehasst – aber jetzt verinnerliche ich ihn.  

Und dennoch klagen wir, während wir all die Chancen die uns gegeben worden sind nicht bis zum letzen Punkt ausnutzen! Wir klagen, weil unser Studium zu hart ist, während andere in der Universität durch Bombenangriffe sterben. 

Wer weiß, wie viele Menschen, Mütter, kleine Kinder heute irgendwo in den vielen Kriegsgebieten gestorben sind, damit wir in Ruhe schlafen und leben können, ohne den Wert des Ganzen überhaupt wahrzunehmen. 

Ist es nicht genau deshalb unsere Pflicht uns noch mehr anzustrengen?

 

 

Monolog eines Flüchtlings.

„Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Heiße Magister, heiße Doktor gar“
(aus Goethe – Faust I)
doch einen Wert hat das alles nicht in diesem fremden Land.

Sitze hier, in einer Einraumwohnung die runter gekommen ist. Lebe mit Fiechern und bösem Geruch in der Nase, weil ich geflüchtet bin.

Hier nun, halte ich dieses Stück Papier in der Hand, welches die Macht hat über mein Leben, über meine Zukunft zu bestimmen.

Bin geflüchtet von Kriegen weit weg von Europa. Zu Fuß bin ich gelaufen, Kilometer weit, bis ich die Grenze der Türkei gesichtet hatte. Empfangen hat man mich mit einer Flasche Wasser. Vor die Wahl wurde ich gestellt: in die Zelte weit ab von Zivilisation, oder auf eigene Faust in die Stadt?! Schwer war die Entscheidung nicht – lange war ich im Krieg ein Nicht-Mensch, nun wollte ich meine Würde wieder.

So bin ich weitergezogen, mit dem Boot, mitten in der Nacht nach Griechenland für das letzte bisschen Geld das ich hatte. Dort empfangen, von nicht sehr netten Männern mit Knüppeln in der Hand. Doch immer mit dem Ziel vor Augen: ich will meine Menschenwürde wieder!
Ein Papier nach dem Anderen habe ich ausgefüllt und unterschrieben. Kein Wort verstanden von all dem.  

In der Heimat: anerkannt, studiert, zu den gern gesehensten Menschen gehört.

In Europa habe ich seit Wochen die selbe Hose an. Bin illegal. Bin wertlos. Bin erstmal nur eine Nummer auf dem Papier. Eine illegale Nummer von vielen!

Nach der Duldung in Deutschland nun noch einmal: dieses Stück Papier soll nun über meine Zukunft entscheiden. Gebe ich alles auf? Alles, was ich mir jahrelang in der Heimat aufgebaut habe, um hier in diesem Raum mit Käfern und bösem Geruch zu leben? Oder unterschreibe ich es nicht, und werde mitten in der Nacht von Männern abgeholt und ganz geheim in einen Flieger Richtung Krieg zurück geschickt, so wie sie es mit vielen meiner Leidensgenossen getan haben?

Ich wollte nur eins, als ich meine Tasche gepackt hatte und begann in Syrien los zu laufen: ich wollte nur meine Menschenwürde wieder.

Bekomme ich das, wenn ich mich für das eine entscheide, oder doch, wenn ich mich für das andere entscheide?

Nun ist es Zeit eine Entscheidung zu treffen.
Wie man im Arabischen sagt: Bismillah – Im Namen Gottes!

Nachtrag:

Dieser Monolog ist im Rahmen eines Theaterprojekts in der Uni entstanden, in welchem ich einen Flüchtling spielte, welcher eine Entscheidung treffen musste. Die Inhalte des Textes sind mehrere wahre Begebenheiten, die mir von Flüchtlingen anvertraut worden sind. Die Flucht über Griechenland, zu Fuß in die Türkei, alleine in einer fremden Stadt. All das machen diese Menschen, unsere Menschengeschwister in Wirklichkeit durch!

Ich bete zum Herrn der Welten, dem Gerechten, dem Liebenden und dem, der Wahrheit sendet, dass sie ihren Frieden finden mögen. Amen.