Ich bin müde. Ich bin müde von den ganzen „Debatten“, den vielen Begegnungen mit Rassismus, Diskriminierung, Hass und Arroganz.
Ich hatte heute Angst. Ich hatte heute tatsächlich Angst, alleine raus zu gehen – ich! Am Tag.
Es ist wahrscheinlich witzig, sich selbst als Bloggerin zu bezeichnen und monatelang nichts auf dem eigenen Blog zu posten. Was soll ich denn schreiben? Noch eine weitere Geschichte, was mir dieses Mal widerfahren ist, weil ich offensichtliche Muslima bin? Noch eine Rassismus- und/oder Diskriminierungserfahrung? Nochmal und nochmal und nochmal und nochmal?! Wie oft noch?
Wisst ihr? Ich möchte auch mal einfach nur sein.
Einfach mal auf die Straße gehen und keinen ätzenden Blick abbekommen, keinen beleidigenden feigen Kommentar hören, kein Spucke auf den Kopf bekommen, nicht vom Auto angefahren und dann beleidigt zu werden, nicht das Kopftuch abgerissen zu bekommen, nicht von LehrerInnen/DozentInnen in eine scheiß Scheindiskussion verwickelt werden, worauf man eigentlich kein Bock hat doch immer als Sprecherin aller jemals existierten, noch exisitierenden und existieren werdenden Muslimen fungieren.
Davon bin ich müde.
Ich möchte einfach mal nur Pädagogin sein, ich möchte die Tochter meiner wundervollen Mutter sein, ich möchte die nervende und/weil besorgte große, und die zu sehr liebende und klebende kleine Schwester sein. Ich möchte die alberne #weilwegenswag Tante sein. Ich möchte die Gesellschaftskritische sein, ohne in eine Schublade der Kritik gesteckt zu werden. Ich möchte Studentin, Lernende und Lehrende sein, mit allem was ich habe, oh ja, irgendwann möchte ich „(Bildungs-)Wissenschaftlerin“ sein. Ich möchte die Kinder- und Jugendarbeiterin sein und dieser Arbeit mit Leidenschaft nachgehen können, ohne nur für eine bestimmte Gruppe von Kindern und Jugendlichen zuständig zu sein. Ich möchte die Deutschrap-Liebende sein, die bei Xatar und Hafti Abi durch die Decke geht, die aber Bach Mozart vorziehende-möchtegern- Kultivierte, und gleichzeitig die Theater-liebende und Opern – nichtsoabhabende sein.
Ich bin müde, Leute, im ernst. Ich möchte einfach mal nur sein.
Früher haben mich solche Ereignisse nur noch mehr motiviert, weil ich immer an das Gute geglaubt hatte, ich dachte immer, dass es besser werden wird, dass die Menschen liebender und intelligenter werden. Ich hatte immer die Hoffnung, dass es mit der Zeit besser werden wird – doch nun habe ich weder die Kraft noch mehr dagegen zu arbeiten, noch die Hoffnung, dass es besser werden wird.
Gestern im Flieger schrieb ich an meinen verstorbenen Opa: Bana vefat etmeden bi kac gün önce söyledigin seyi yaptim Dede. „Oku Kizim“, demistin. „Oku ki, seni Adam yerine koysunlar.
Üniversite okudum. Okudum ve bitirdim, Dede. Okudum, kagit üzerinde Adam oldum. Ama benide, sana yaptiklari gibi, adamdan saymiyorlar. Cok bisey degismedi, Dede. Ama üzülme, ben aglamiyorum artik.
(Ein paar Tage bevor du starbst sagtest du mir, ich solle studieren. Ich solle studieren um ein Jemand zu werden und wie ein Jemand behandelt zu werden. Ich habe studiert. Ich habe studiert und habe mein Studium beendet. Ich habe studiert und auf dem Papier, bin ich nun ein Jemand. Aber mir tun sie das selbe, wie bei dir auch schon, sie zählen mich nicht als Jemanden. Es hat sich nicht viel verändert, Opa. Aber sei nicht traurig, deshalb weine ich nicht mehr.)