Manchmal (wenn sie mir nicht gerade Leid tut) beneide ich sie.

Sie hat nach ihrem Schulabschluss eine Ausbildung gemacht. Die Bezeichnung genau kenne ich nicht. Aber sie ist im Büro tätig. Eine Art Bürokauffrau. 

Sie wacht jeden Morgen um 7.00 Uhr auf, macht sich fertig und fährt -mit ihrem mittelklasse  Auto – zur Arbeit. Um 8.00 Uhr ist Arbeitsbeginn. Um 12.00 Uhr geht sie in ihrer Mittagspause zum Bäcker nebenan. Sie kauft sich, wie jeden Tag einen Kaffee und ein Stück Pizza, zudem blättert sie in einem Frauenmagazin. Wasser hat sie dabei. Um 13.00 Uhr ist sie wieder im Büro und pünktlich um 16.00 Uhr verlässt sie das Büro. 

Einmal die Woche geht sie nach der Arbeit zum Sport und ab und ab trifft sie sich nach der Arbeit mit ihrer Freundin zum Kaffee und sie sprechen über die neuste Mode, über den neuen Freund ihrer Freundin und lästern etwas über ihre Kollegen ab.

Danach fährt  sie Nachhause. Bei der Einfahrt angekommen schimpft sie über den Nachbarn, der seine Mülltonnen immer noch nicht ins Haus geräumt hat. Sie geht rein, macht sich Abendbrot, surft etwas im Internet, schaut eine Folge ihrer Frauen-Serien an und geht dann, nach dem sie paar Seiten gelesen hat ins Bett. 

Das macht sie jeden Tag so. Mit 30 will sie heiraten und kurz danach ein maximal zwei Kinder. Für diese möchte sie einen Garten, also wird sie mit ihrem Mann ein Haus kaufen. 

Bis dahin spart sie ihr – „ganz gut zum Leben“ – Gehalt, damit sie sich einmal im Jahr einen Urlaub leisten kann, an dem sie ausschließlich am Strand liegt  und kaum etwas von Land an sich sieht. 

Einmal im Monat besucht sie die Oper oder ein Theaterstück um ihr Kulturgut aufzubessern und ab und an blättert sie sogar in einer Zeitung. Das Wochenende „feiert“ sie oder geht bowlen. Nahe Weihnachten geht sie einen Abend  ins Altersheim und liest dort den alten Menschen etwas vor und singt Weihnachtslieder. 

Das ist ihr Leben. 

Manchmal (wenn sie mir nicht gerade Leid tut) beneide ich sie. 

2 Gedanken zu „Manchmal (wenn sie mir nicht gerade Leid tut) beneide ich sie.“

  1. Sehr schön beschrieben. Manchmal, wenn mir meine eigene Aktivität zu viel wird und ich mich nach einer sicheren Zukunft sehne, beneide ich solche Menschen auch. Die Illusion von Sicherheit kann sehr reizvoll sein.

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