Manchmal (wenn sie mir nicht gerade Leid tut) beneide ich sie.

Sie hat nach ihrem Schulabschluss eine Ausbildung gemacht. Die Bezeichnung genau kenne ich nicht. Aber sie ist im Büro tätig. Eine Art Bürokauffrau. 

Sie wacht jeden Morgen um 7.00 Uhr auf, macht sich fertig und fährt -mit ihrem mittelklasse  Auto – zur Arbeit. Um 8.00 Uhr ist Arbeitsbeginn. Um 12.00 Uhr geht sie in ihrer Mittagspause zum Bäcker nebenan. Sie kauft sich, wie jeden Tag einen Kaffee und ein Stück Pizza, zudem blättert sie in einem Frauenmagazin. Wasser hat sie dabei. Um 13.00 Uhr ist sie wieder im Büro und pünktlich um 16.00 Uhr verlässt sie das Büro. 

Einmal die Woche geht sie nach der Arbeit zum Sport und ab und ab trifft sie sich nach der Arbeit mit ihrer Freundin zum Kaffee und sie sprechen über die neuste Mode, über den neuen Freund ihrer Freundin und lästern etwas über ihre Kollegen ab.

Danach fährt  sie Nachhause. Bei der Einfahrt angekommen schimpft sie über den Nachbarn, der seine Mülltonnen immer noch nicht ins Haus geräumt hat. Sie geht rein, macht sich Abendbrot, surft etwas im Internet, schaut eine Folge ihrer Frauen-Serien an und geht dann, nach dem sie paar Seiten gelesen hat ins Bett. 

Das macht sie jeden Tag so. Mit 30 will sie heiraten und kurz danach ein maximal zwei Kinder. Für diese möchte sie einen Garten, also wird sie mit ihrem Mann ein Haus kaufen. 

Bis dahin spart sie ihr – „ganz gut zum Leben“ – Gehalt, damit sie sich einmal im Jahr einen Urlaub leisten kann, an dem sie ausschließlich am Strand liegt  und kaum etwas von Land an sich sieht. 

Einmal im Monat besucht sie die Oper oder ein Theaterstück um ihr Kulturgut aufzubessern und ab und an blättert sie sogar in einer Zeitung. Das Wochenende „feiert“ sie oder geht bowlen. Nahe Weihnachten geht sie einen Abend  ins Altersheim und liest dort den alten Menschen etwas vor und singt Weihnachtslieder. 

Das ist ihr Leben. 

Manchmal (wenn sie mir nicht gerade Leid tut) beneide ich sie. 

Begegnung mit einem Asylanten.

Ich laufe zur Bahn.
Er spricht mich an: „Salamu alaikum!“. Weiter irgendwas auf arabisch.
Ich: Alaikum salam. Sorry, Ich spreche kein arabisch.
„Ah okay!, Tram no. 5 – where?“
Ich sage ihm, dass er mir hinterher laufen soll und laufe durch den Bahnhof Richtung Tram 5.
Nach dem er mein Kopftuch gelobt hat mit: „Valla, mashaAllah valla valla!“, was ich extrem komisch fand, fragt er, ob es hier viele Muslime gebe.
„Ja klar“, sage ich. „Viele!“
Er freut sich!
„Und Palästinenser? – ich bin Palästinenser.“, sagt er.
„Ja, Palästinenser, Iraker, Marokkaner.. und Syrer“, zähle ich auf.
Er: „Oh, Suri?! Suris are shit! Sie bekommen viel leichter Asyl als wir obwohl sie shit sind!“

Ich: „Gerade aus, siehst du Gleis 2? da kommt Tram 5“, und gehe weg mit folgendem Gedanken:

Kein Wunder, wie die Lage von uns Muslimen ist, wenn wir unsere Geschwister, die das gleiche Leid haben wie wir, als „shit“ bezeichnet, nur weil sie leichter Asyl bekommen und man sie eben Shit findet.

Und dann fällt mir wieder der Vers ein, den ich so oft im Kopf habe:
„Wahrlich, wir werden die Lage eines Volkes nicht ändern, ehe sie nicht das ändern, was in ihren Herzen ist.“ (aus Sure 13)