Wechselwirkung – Hand verschmutzt Hand. „machtWorte“

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Allahu akbar“ schreien sie, welch’ laute Horde mit unreiner Brust! Schatten in ihren Augen, sie stoßen ab mit ihren bärtigen, grimmigen Gesichtern. Sie lüstern nach Macht und dursten nach Blut. Sie schreien „Allahu Akbar“ und missbrauchen den Namen des Liebenden, Geliebten. Erheben sich damit in ihrer Perversität.
Ihre Zungen sprechen mächtige Worte bei Tag und bei Nacht – sie stoßen die Worte aber von sich ab statt diese in ihre Herzen eindringen zu lassen.
Sie rufen „Gott ist groß“, doch sind sich dessen Konsequenz bewusst?!

„Allahu akbar“ schreien sie während sie töten, zerstören, in Brand setzen. Menschen erschrecken, Angst einflößen kleinen weinenden Kindern, das Gute auslöschen, den Frieden zunichte machen.

Hätten sie doch aber auf das erste Wort ihrer Worte gehört – „Iqra – Lies!“ so wäre das was sie tun ihnen selbst zuwider.

Sie erschaffen sich Königreiche und Mächte mit ihren Worten. Machen mit ihren Worten aus Königen Sklaven, aus Sklaven Könige. Bestimmen mit einem Wort über Gut und Böse, über Leben und Tod. Machen aus Menschen das, was sie nie hätten sein sollen. Nie hätten sein können.
So mächtig ist also das Wort, so zerstörerisch!

*

„Wir sind das Volk“ brüllen sie, laut, so dass ihnen die Stimmen zu verschwinden drohen.
Ihre eisblauen Augen stechen in der Dunkelheit hervor, pflanzen sich in die Erinnerungen, in die Herzen kleiner weinender Kinder, die vor „Allahu akbar“ – Schreienden geflüchtet sind, um mit „Wir sind das Volk“ empfangen zu werden?

Hineingetaucht sind ihre patriotischen Geister in Liebe zu Schwein, deutschem Kulturgut und Heimatgefühl! Machen ihre Identität an einem Tier fest, sind nichts weiter, als Mitbürger auch anderer Beheimateter – wollen es aber nicht fühlen!

Sie merken nicht, dass sie mit ihren Worten das Licht am Ende des Tunnels auslöschen, während sie andere dunkle Lichter die seit Jahrzehnten erloschen sind, wieder anzünden zu versuchen.
Mit ihren Worten färben sie Seelen braun, während sie das Kunterbunte zu ersticken versuchen! Wollen eine Alternative für das Land sein, doch mit ihren Worten machen sie krank die gesunden Herzen und gesund die Kranken. Steigen hinauf in die obersten Ebenen der Mächtigen; unter den von Steuergeldern bezahlten Nadelstreifen verstecken sich ihre Springerstiefel!

„Wir sind das Volk“ brüllen sie, missbrauchen unverschämt und in Absolutismus badend den Namen des Volkes! Erheben sich in ihrer Perversität damit. Sie sprechen Worte, mächtige Worte, während sie zerstören, in Brand setzen, Menschen erschrecken, Kinder zum weinen bringen, das Gute und die Hoffnung auf Frieden auslöschen! Hetzen, Hass verbreiten und das Eine spalten!
So mächtig ist also das Wort, so zerstörerisch.

*

Da stehe ich nun, inmitten dieser beiden Seiten. Keiner weiß mehr so recht was richtig und falsch ist. Und ich mittendrin, werde bekämpft, getreten, angefeindet und befremdet von Beiden! Kann kaum eine Zeitung aufschlagen, ohne dass einer der Beiden, am besten im Verbindung miteinander, thematisiert werden. Stehe da während 1000 nachte Zeigefinger gegen mich gestreckt sind!

Sie sagen Ich sei die Ungläubige, nein, ich bin! die Ungläubige, die, die den Ungläubigen in den Arsch kriecht, die Gott für die Demokratie verkauft hat, die, die ihre erotische Stimme selbst vor Männern erhebt, sich ihnen zeigt, sich ihnen vorführt! Ich bin ein ausgepackter Lutschbonbon, an dem sich Sarrazin, Hamed Abdelsamed und Petry gemeinsam, Lippe an Lippe vergnügen, während ich nicht beachte, dass meine Glaubensgeschwister für Gott kämpfen und sterben.
Ich bin die Ungläubige, die ignorante Egoistin, die einen liberalen Islam geschaffen hat, die vom Propheten bekämpft werden würde, wenn er lebte. Ich bin die, die das Tuch trägt, aber keinen Glauben mehr in sich. Die, die sich verkauft hat. Ich bin die, die Gott niemals erreichen wird, die, die in Reue verrecken sollte, die Gottes Vergebung niemals erhalten wird, da mein Gott nun Europa ist!

Auf der anderen Seite bin ich die Kopftuchschlampe, sagen sie, die Putze von Muhammad, die Sexsklavin meines Mannes, die Knechtin meines Vaters, der Boxsack meines Bruders! Die Kanakin, die ewige Kanakin die kein Deutsch spricht, die die niemals einen Abschluss erlangen wird, die, die unterrückt ist, befreit werden muss, die keine eigenen Entscheidungen treffen kann. Ich bin die, die gerade mal gut genug für einen Putzjob ist, aber auch die Sozialschmarotzerin, die von ihren Steuergeldern lebt. Ich bin die Hinterweltlerin, die Zurückgebliebene, die, die das Land ins Verderben stürzt, eine Seuche für jeden Deutschen, ich bin die Pest!

Anhören muss ich mir beides, von beiden Seiten, immer und immer und immer wieder.
Es scheint, als seien sie eins die Beiden, als seien sie das Selbe im Kern, als verfolgten sie die selben Ziele, hätten die selbe Motivation, wären aus dem selben Material gestrickt in ihrem Hass gegen mich, gegen die Mitte, gegen die Leute der Mitte!

Und da stehe ich nun, im Stillen schreiend, in der Schlacht friedenstiftend und im Scheinfrieden kämpfend!

Mein Haupt ist erhoben, immer, denn ich werde mich niemals meinem Glauben, meinen Flügeln der Herkunft, noch mich meinem Deutschsein berauben lassen!

Das Wort also. So mächtig ist also das Wort, so zerstörerisch.

So viel wie es Schlechtes anrichten kann, kann es auch Gutes tun – wenn man es denn zu benutzen weiß, zu formen – wie eine Kunst.

Die Macht liegt also in den Händen der Lauten.
Ist das Schweigen dann wirklich eine Lösung?

*

Nachtrag: Der Text ist für eine Lesung in Karlsruhe entstanden. Dieser wird auch im Sammelband „Farblos – Junge Dichter über Flucht und Migration“ erscheinen. Alle Infos dazu hier: facebook.com/farblospoesie/

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