Deutschland, willkommen in der pluralen Welt.

2015 Bundesverfassungsgericht Karlsruhe: Das Gericht revidiert die Kopftuchverbote die seit seinem Urteil 2003 in den meisten Bundesländer herrschen. In der Pressemitteilung schreiben sie:

„Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass ein pauschales Verbot religiöser Bekundungen in öffentlichen Schulen durch das äußere Erscheinungsbild von Pädagoginnen und Pädagogen mit deren Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) nicht vereinbar ist.“ (Bundesverfassungsgericht.de {13.03.2015})

Überall lese ich davon. Alle Zeitungen schreiben darüber. Alle klatschen sich in die Hände und teilen die „freudige Botschaft“.

Doch irgendetwas stimmt nicht.

Ich finde diese Entwicklung selbstverständlich toll. Ich freue mich für all die muslimischen Frauen, die dem Druck standgehalten haben und das Tuch nicht abgesetzt haben, sich auf Gott verlassen haben. Doch verstehe ich die ganze Aufruhe nicht.

Malcolm X schrieb in seiner Autobiografie sinngemäß, dass er nicht verstehe, wieso man sich mit minimalen „Fortschritten“ zufrieden gebe obwohl doch jeder wüsste, dass das das Recht eines Bürgers sei. Wieso müssten alle sofort „Halleluja jauchzen“ wenn sie ein winziges Stück ihrer Rechte zugesprochen bekämen. (vgl. Malcolm X 1964, S.285)
Und heute empfinde ich es genau so, wie er das damals empfunden hatte, als man von einem großen Fortschritt redete, weil zehn „Schwarze“ nun in einer Fabrik mit „Weißen“ arbeiten durften.

Ein Teil dieses Landes klatscht sich in die Hände, tanzt Freudentänze weil sie ein Stück ihrer Rechte bekommen? Damit lassen wir uns abwimmeln? Und wir sollten doch dankbar sein heißt es, dass wir überhaupt studieren dürften. Wenn wir in „unseren Ländern“ wären, wäre das als Frau gar nicht möglich, sagen jene, die noch nicht begriffen haben das unser Land ebenso Deutschland ist.

Wieso meine Freude sich in Grenzen hält? Elf Jahre. ELF Jahre hat UNSER gemeinsames Deutschland gebraucht um sein eigenes Grundgesetz zu erkennen? Elf Jahre hat Deutschland gebraucht um seinen eigenen Bürgerinnen ihr Recht wieder zu geben?

Dieses Gesetz hätte es in unserem Deutschland gar nicht geben dürfen. Nicht geben sollen. Die Revidierung des Gesetzes aus 2003 ist kein Geschenk, das uns gemacht wurde. Es ist auch kein Entgegenkommen, für welches wir Tänze tanzen müssen.

Unser Deutschland hat am 13. März 2015 mit der Aufhebung des pauschalen Kopftuchverbots für Lehrerinnen nur seine Pflicht erfüllt.

Ich sage: Deutschland, heute bist du angekommen in der pluralen Welt. Herzlich Willkommen! Wir haben lange auf dich gewartet. Und herzlichen Glückwunsch an all die muslimischen Frauen mit Tuch – ich freue mich für euch. 

(Muslimische) Frauen/Männer und das andere Geschlecht.

Muslimische Frauen seien so sehr auf die Aufmerksamkeit eines nicht-muslimischen Mannes aus, weil sie nicht normal mit muslimischen Männern reden könnten, da der Islam sich dagegen ausspreche. 

Zudem hätten muslimische Mädchen nie Kontakt zu anderen Männern/Jungen und fühlten sich bei jeder kleinen Geste von nicht-muslimischen Männern total wertvoll weil sie das sonst nicht kennen. 

Auch sei der normale Lebenslauf einer muslimischen Frau der, dass sie nie Männer richtig kennenlerne, deshalb sehr früh sehr schnell heirate, und dann ganz viele Kinder auf die Welt setze und den ganzen Tag Zuhause sitze. 

Ach und;  nicht-muslimische Männer fühlen sich von muslimischen Frauen die in der virtuellen Öffentlichkeit stehen besonders angezogen, weil sie außer der Putzfrau im Kindergarten auf keine andere treffen mit der sie sich mal unterhalten könnten. 

Das alles habe ich mir heute als junge muslimische Frau, die mit muslimischen und nicht-muslimischen Männern arbeitet, studiert und lebt anhören müssen. 

Ich bin wütend. Schon immer habe ich die paradoxe Beziehung zwischen (musl.) Frauen und (musl.) Männern und umgekehrt und musl. Frauen und nicht-musl. Männern und umgekehrt und nicht-musl. Frauen und musl. Männern kritisiert. Während ich mir bei einer muslimischen Studierenden Sitzung anhören musste, wie einige Frauen und Männer einen getrennten Saal zum Gebet forderten weil – Achtung: Hammer Begründung – sie beim Raus- und reingehen sonst an der Tür auf Männer stoßen könnten, habe ich mich gefragt, was diese Frauen und diese Männer die diese Forderung stellten denn in der Universität, in der Bäckerei, auf der Straße zu suchen haben oder wieso sie dann gemütlich mit Paul/Anna Kaffee trinken, wenn Ahmed/Fatima nicht mal an der Tür stehen darf ?! 

Es stimmt, an einer „gesunden“ Beziehung zwischen den Geschlechtern in der muslimischen Szene muss noch gearbeitet werden. Aber ich sehe, auch durch meine eigene islamische Arbeit wodurch  ich erst richtig gelernt habe wie man „normal“ mit dem anderen muslimischen Geschlecht umgehen kann, dass sich in dieser Sache viel tut. 

Wir sind schon lange aus der Zeit raus in der eine Frau und ein Mann sich nicht anständig kennenlernen können oder sie sich vor Schreck in die Hosen machen wenn sie sich begegnen. Das ist ein Fortschritt! 

Doch frage ich mich, um auf die einleitenden Sätze zurück zu kommen – wie kann man sowas nur denken oder von sich geben?

1. Muslimische Frauen seien so sehr auf die Aufmerksamkeit eines nicht-muslimischen Mannes aus, weil sie nicht normal mit muslimischen Männern reden könnten, da der Islam sich dagegen ausspreche. 

Der Islam spricht sich dagegen aus, dass Mann und Frau sich richtig kennenlernen? Im Gegenteil. In vielen Vorträgen war ich anwesend von vielerlei anerkannten Imamen u.ä. in denen es um das Thema der Ehe und der Partnerfindung ging. Ich erinnere mich wie eine einflussreiche trk. Autorin bei einer Rede die Eltern ausdrücklich gebeten hatte den  Kindern beim Kennenlernen Zeit zu geben, damit sie sich gut kennenlernen können und so ihre Entscheidungen ohne spätere böse Überraschungen treffen können. 

2. Zudem hätten muslimische Mädchen nie Kontakt zu anderen Männern/Jungen und fühlten sich bei jeder kleinen Geste von nicht-muslimischen Männern total wertvoll weil sie das sonst nicht kennen.

Ich frage mich in welch‘ einer Welt diejenige lebte, die das aussprach. Überall (!) in unserem Alltag begegnen wir dem anderen Geschlecht. Immer und jeder Zeit, wenn wir uns nicht gerade like einer demütigen muslimischen Frau im Zimmer verkrochen haben, (Achtung Ironie/Sarkasmus) reden, handeln, interagieren und kommunizieren wir mit dem anderen Geschlecht. Sei es unser Nachbar den wir begrüßen, unser Kommilitione mit dem wir über Studieninhalte sprechen oder einfach der Bäcker, der uns unser Brot backt. Und was sagt diese Aussage eigentlich über den muslimischen Mann aus? Dass er ein Neandertaler ist, der der Frau nicht den nötigen Respekt und kleine Gesten (wie zum Bsp. die Tür auf halten) entgegen bringen kann, so dass muslimische Frauen bei jeder kleinen Geste eines anderen Mannes von allen Wolken fallen weil sie das nicht kennen? In Anbetracht dessen, dass der Prophet Muhammad (s*) das Vorbild jedes muslimischen Mannes (und der Frau) ist, kann das gar nicht stimmen. Denn wenn man sich etwas mit dem Wesen von Ihm auseinander gesetzt hat merkt man, welch‘ ein höflicher, zuvorkommender, ja gar romantischer Mensch der Prophet (s) war.

3. Auch sei der normale Lebenslauf einer muslimischen Frau der, dass sie nie Männer richtig kennenlerne, deshalb sehr früh sehr schnell heirate, und dann ganz viele Kinder auf die Welt setze und den ganzen Tag Zuhause sitze.  

Wie oben bei Punkt 1. schon erwähnt legen es muslimische Autoritäten und einflussreiche Personen es an die Herzen der Frauen und Männer und der Eltern, den Personen die sich kennenlernen möchten genug Zeit zu geben. Selbstverständlich gibt der Islam dafür einige Richtlinien an. Und selbstverständlich sollte man sich dabei im islamischen Rahmen bewegen – aber genau das ist der Punkt! Der Islam bietet den Männern und Frauen die Möglichkeit! Er gibt ihnen die Möglichkeit sich im islamischen Rahmen normal kennenzulernen ohne Stress!  Der Islam sagt zum Bsp.: trefft euch nicht nur zu Zweit an geschlossenen Orten.  Er sagt nicht: trefft euch nicht, redet nicht, heiratet und seid dann mit eurer Entscheidung todunglücklich! Und der Gedanke allein, dass jede muslimische Frau schnell heiratet und dann gleich 10 Kinder auf die Welt setzt und das Haus nie verlässt, ist, wenn man mal nach draußen schaut, sehr realitätsfern. Die muslimische Frau ist seit 1.400 Jahren die wohl emanzipierteste Frau überhaupt! Davon könnten sich unsere lieben Promi-Feministinnen eine Scheibe abschneiden! Man sollte lernen zwischen Islam und Tradition zu unterscheiden  – auch als Muslim/a. Und wenn eine muslimische Frau Zuhause bleiben möchte, bei ihrer Familie, dann ist das ihre Entscheidung und ihr Recht! 

4. Ach und;  nicht-muslimische Männer fühlen sich von muslimischen Frauen die in der virtuellen Öffentlichkeit stehen besonders angezogen, weil sie außer der Putzfrau im Kindergarten auf keine andere treffen. 

Ja, sicher, zu einer Zeit in der die Zahl der  muslimischen Studierenden immer mehr steigt, in der immer mehr muslimische Frauen Karriere machen, in der immer mehr muslimische Frauen bedeutungsvolle  Stellungen in der islamischen Arbeit  einnehmen, begegnet der nicht-muslimische Mann der Frau nur in Kindergarten wenn sie putzt. Sicher! Nicht etwa in der Arbeit, in der Uni, im Supermarkt, in der Krabbelgruppe, beim interkulturellen Dialog, sondern beim Putzen in irgendeiner Firma. Ja, ja, so ist das sicher. 

Frauen, muslimische Frauen stehen immer mehr in der Öffentlichkeit, sie zeigen sich, sie zeigen was sie sind, was sie sein können und was sie sein werden. Muslimische Frauen waren nie das was über sie gesagt wurde und sind heute erst recht nicht mehr das, was über sie gesagt wird. Allein wenn man sich zwei muslimische Frauen aus dem Anfängen der islamischen Zeit anschaut, eine von ihnen mein ganz besonderes Vorbild: Khadischa r.a.*, die erste Frau des Propheten Muhammad (s). Sie war eine erfolgreiche Kauffrau, sie war eine Karrierefrau! Sie war eine treue Ehefrau. Sie war stark, intelligent und hielt immer die Stellung. Und die Andere: Aisha r.a., eine der späteren Frauen des Propheten (s), sie war Ansprechpartnerin in Medina für juristische Angelegenheiten und ist eine der größten Gelehrtinnen.

Und heute: die ganzen Mädchen, Frauen in der Universität, die Frauen in hohen Positionen und die Frauen die geduldig Kinder erziehen und bilden  – wird ihnen mit solchen Aussagen kein Unrecht getan? 

Und nochmal sage ich: Die muslimische Frau ist seit 1.400 Jahren die wohl emanzipierteste Frau überhaupt! Davon könnten sich unsere lieben Promi-Feministinnen eine Scheibe abschneiden!

*(s)= Abkürzung für „sallallahu aleyhi wa sallahm“ = Allahs Frieden und Segen auf Ihn.  *r.a. = Abkürzung für „radiAllahu anhu“ = Möge Allah mit ihm/ihr zufrieden sein.
Nachtrag: Dieser Text ist (wie vieler meiner Texte) in einem frisch-emotionalen  Zustand entstanden. Niemand möchte sich bitte durch die Worte persönlich angegriffen fühlen. Es sind Gedanken und Problematiken die ich beobachte und in Schrift fassen wollte, um auch andere Menschen darauf aufmerksam zumachen.

Vom Lästern & rohem Fleisch.

Jeder kennt es: man hört, dass was über einen geredet wird. Man weiß, dass es absolut nicht der Wahrheit entspricht, und wenn doch, dann ist es einem unangenehm.
Jeder kennt es, es macht Spaß hier und da mal über jemanden zu reden den man nicht besonders mag. Das tut gut. Man findet Bestätigung bei anderen.
Jeder kennt es, dann wird dir erzählt, was deine nächsten über dich so reden. Welch Lügen sie verbreiten. Und du immer geschwiegen hast um ihre Fehler zu verdecken und dir nur denkst – warum?

Die Frage stelle ich mir heute mehr als an anderen Tagen. Wieso reden Menschen über andere Menschen. Wieso ist das Lästern, das Vorwerfen (auf trk. Iftira) einer schlechten Sache die eigentlich nicht stimmt so in den Menschen verankert. Und mir fällt mit der Zeit auf, dass es falsch ist diese Angewohnheiten nur auf bestimmte Menschen zu schieben. Jeder tut es. Frau. Mann. Gläubig. Weniger gläubig.

Doch schockt es mir immer wieder mehr, wenn ich gläubige Menschen dabei erwische und noch mehr mich selbst.

Sagt Allah taala im Koran nicht etwa:

„O ihr, die ihr glaubt! Vermeidet häufigen Argwohn; denn mancher Argwohn ist Sünde. Und spioniert nicht und führt keine üble Nachrede übereinander. Würde wohl einer von euch gerne das Fleisch seines toten Bruders essen? Sicher würdet ihr es verabscheuen. So fürchtet Allah. Wahrlich, Allah ist Gnädig, Barmherzig.“ (49:12)

Er spricht davon, dass Argwohn Sünde sein kann! Und er sagt klar und deutlich, dass sich die Menschen nicht gegenseitig spionieren sollen und nicht üble Nachrede übereinander führen sollen. Er vergleicht die üble Nachrede mit dem Essen vom Fleisch seines toten Bruders. Ist das nicht eine widerliche Vorstellung? Wenn wir uns bildlich vorstellen, wie wir vom toten Fleisch unseres Bruders, unserer Schwester essen ? Wem kommt es da nicht hoch?

Muhammad Rassoul schreibt  in seinem Tafsir unter anderem dazu:

„Argwohn, Spionieren und üble Nachrede gehören zusammen als Faktor, der unvermeidlich die Brüderlichkeit unter den Gläubigen zerstört und das friedliche Zusammenleben unter ihnen beeinträchtigt.“ (M0hammed Ibn Ahmad Ibn Rassoul 2008) {Hervorhebungen durch mich}

Hieraus kann man eindeutig die Folgen solcher Dinge raus lesen.

Auf die Frage was denn üble Nachrede ist, gibt es eine Überlieferung:

Der Gesandte Allahs (saw*) erklärte Folgendes: ,,Wisst ihr was üble Nachrede ist? Wenn jemand über einen seiner Glaubensgeschwister etwas sagt, das ihm nicht gefallen würde.” (Abu Dawud)

So sollte man bei jedem Wort welches man über einen anderen Menschen sagt abwägen was die Person darüber denken würde, dass man es sagt. Also ist üble Nachrede alles, was man von sich selbst nicht sagen würde und auch nicht möchte, dass es über einen selbst gesagt wird.

Ich frage mich weiterhin – wieso? Wieso reden Menschen soviel über andere Menschen?
Ist es das, dass man sich durch das Schlecht- Reden einiger Personen selbst abheben möchte? Den Rang in der Gesellschaft, in der eigenen kleinen Community erhöhen möchte? Ist es der Neid, von dem der Prophet saw. sinngemäß sagte, dass der Neid den Menschen zerfrisst, sowie das Feuer das Holz zerfrisst? Ist es der Wunsch, die eigenen Fehler nicht begangen zu haben, von diesen abzulenken in dem man auf andere Menschen lenkt?
Wieso lästern Menschen wenn sie wissen, dass es anderen Menschen weh tun wird? Wieso möchten die Menschen, dass man über einen anderen schlecht denkt?

Die Zunge ist solch eine gefährliche Sache.

Abu Huraira (r) überliefert, dass man den Gesandten Allahs (saw) fragte:
”Welche Taten führen den Menschen meistens ins Paradies?”
Er (saw) antwortete: ”Gottesfurcht und gutes Benehmen.”
Man fragte ihn (saw) weiter:
”Und welche Taten führen den Menschen meistens in das Höllenfeuer?”
Daraufhin antwortete er (saw):
”Die mit dem Mund und den Geschlechtsteilen begangenen.”
(At-Tirmidhi)

Die Taten also, die mit dem Mund begangen werden können den Menschen in ewiges Seelenleiden bringen. Ist das nicht erschreckend? Ist das nicht erschreckend in Anbetracht dessen, dass jeder Muslim und jede Muslima mindestens ein Mal den oben aufgeführten Vers gehört hat? Als kleines Kind hatte ich ihn zum ersten Mal von meinen Eltern ans Herz gelegt bekommen. Und ich glaube, ich war nicht das einzige Kind.
„Würde wohl einer von euch gerne das Fleisch seines toten Bruders essen?“ Welch’ eine grausame Vorstellung. Welch’ ein einprägender Vergleich.

Auch in der Bibel ist das sinnlose Reden aufgeführt. Und ebenso wie im Koran wird davon abgeraten.

„Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören.“ (Bibel: Epheser. 4,29)

„Faules Geschwätz.“ – das trifft es!

Ich wünsche mir, dass wir nicht nur den Glauben (egal welchen) leben um als Gläubige wahrgenommen zu werden, sondern um Gottes Willen. Ich wünsche mir, dass diese Verse und Aussagen sich in die Herzen, die Seelen und die Geister der Menschen tief tief verankern. Und als erstes in meine. Ich wünsche mir, dass die Menschen von ihrem Neid los lassen lernen. Das zerstört nur einen im Inneren selbst und tut anderen auch nicht besonders gut. Ich wünsche mir so sehr, dass wir den Menschen  das wünschen können, was wir uns selbst wünschen. Denn sonst sind wir keine Gläubigen, wie der Prophet saw. es einmal sagte.

(*saw. = Abkürzung für sallalahu aleyhi wasallam – Möge Allahs Segen und Frieden auf Ihm sein.
Beitragsbildquelle: Hamburger Abendblatt)

Wahrheit. Güte. Schönheit.

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„Es gibt zwei Konzepte, die oft gemeinsam genannt werden: Tarbija und Ta’alim. Die Idee der Fürsorge bzw. Aufzucht, sowie die Idee der Bildung.
Beide Prozesse lassen sich nicht voneinander trennen. Daher wurden sie immer gemeinsam erwähnt.
Ein Lehrer war immer sowohl spiritueller als auch intellektueller Mentor, denn der Geist lässt sich nicht vom Verstand trennen. Unser Intellekt ist in sich ein spirituelles und kein materielles Phänomen.
Bewusstsein ist spirituell. Der Kern des Menschen (den Allah als „Lubb“ bezeichnet) ist immaterielle Wirklichkeit.
Der Murabbi war derjenige, der einen stufenweise aus seinem Selbst heraus führte. Daher meint Madrassa auf Arabisch auch den Ort, in dem negative Eigenschaften ausgelöscht und positive Eigenschaften vermittelt werden.
Das erste Stadium von Erziehung wurde als das Entleeren des Selbst bezeichnet. Und das zweite bestand in der Verschönerung des Selbst.
In der Antike wurde das als Wahrheit, Güte und Schönheit bezeichnet. Wir nennen das Iman, Islam und Ihsan.
Iman ist unsere Wahrheit: Es gibt keinen Gott außer Allah.
Islam ist Art und Weise, wie wir mit Güte in der Welt handeln.
Und Ihsan ist das tiefergehende Bedürfnis des Menschen, die Dinge schön zu gestalten.“
(Hamza Yusuf, Die Krise des Wissens (Tl. 2), aus der IZ 12/14)
[Auszeichnungen wie kursiv oder fett von mir]

Wer lehrt Unterdrückung?

Ich lese einen Blogpost einer von mir  sehr geschätzten Person zum Thema Sexuelle Verfügbarkeit der Frau im Islam. Es geht wie in vielen Posts von muslimischen BloggerInnen darüber, dass sie im Alltag mit irgendetwas negativem konfrontiert werden, das dann auf dem Islam geschoben wird.

Diese Bloggerin hat in ihrem Post einen Satz geschrieben, der mir besonders aufgefallen ist. „Wann wird uns endlich klar, dass Frauenunterdrückung kein Problem des Islam, sondern von Männern ist?“ (Ulusoy 2015)

Das Frauenunterdrückung kein Problem des Islam ist wissen wir ja. Aber ich frage mich: ist Frauenunterdrückung nur ein Problem des Mannes?

Meiner Meinung nach sind es vielerlei Aspekte, die die Frau “unterdrücken” in ihrem Sein, Denken, Fühlen und Leben, doch es sind nicht -nur- die Männer. Aber auch. Aber nicht nur.

Ich erinnere mich daran, wie ich eine Situation in der Familie beobachtete, als  die Mutter ihre  Tochter aufforderte ihrem Bruder Tee zu bringen. Der Bruder saß direkt neben ihr. Ich für meinen Teil hätte wahrscheinlich ein „Tzz“ ausgelassen und gesagt, dass er es sich selbst holen soll, da er einfach nur da sitzt und nicht gerade dabei ist die Welt zu  retten. Doch sie stand auf, ging in die Küche und holte ihm seinen Tee. Mir ist klar, dass das primär nichts mit Unterdrückung zu tun hat und dass das auch einfach nur eine nette Geste sein kann, aber dennoch.

Die “Unterdrückung” der Frau wird also zum Teil auch in Familien die den kulturellen Aspekt ihrer Herkunft stärker ausleben “gelehrt”. Die Mädchen werden dazu erzogen die Männer zu bedienen und die Männer werden dazu erzogen sich bedienen zu lassen. Die Eltern sind es doch primär, die ihre Töchter zur „Unterdrückung“ erziehen und ihre Söhne zu „Unterdrückenden“. Die Eltern sind die erste Instanz von  der ein Kind Wert und Normen vermittelt bekommt. In der Entwicklungspsychologie/Pädagogik gibt es etwas, das sich „Modelllernen“ nennt. Das heißt, dass das Kind am Modell seiner Bezugspersonen lernt. An den Taten dieser. Wenn also die Frau ständig dabei ist Runden um ihren Mann zu laufen und der Mann das zulässt, und diese Personen  Modelle für weitere Generationen sind – wer unterdrückt dann wen wieso und wer lässt sich von wem wieso unterdrücken?

Das ist eine große Tatsache, die man oft übersieht. Man muss sich Fragen: zu was erziehen die Eltern (nicht nur die Mütter!) ihre Söhne und ihre Töchter? Was für ein Bild der Frau und des Mannes geben sie in ihrer Erziehung und Bildung weiter? Das sind Fragen, die da mit spielen.

So muss meiner Meinung nach nicht nur an dem Männern gearbeitet werden sondern das Übel fängt wo ganz anders an. Und dort muss meiner Meinung nach angepackt werden.

Kein Elternteil sollte seinen Sohn zur Unselbstständigkeit erziehen und die Tochter zu einer programmierten Bedienung. Kinder sollten zu mündigen Personen herangezogen werden. Nur so kann unsere Gesellschaft gesund sein.

Alhamdulillah, mir geht es schlecht.

Ich wache am Morgen auf und ein Blick auf mein Handy zeigt mir, dass ich meine 60 Wecker (6 Wecker die jeweils 10x klingeln) nicht gehört habe.
Es ist weit über der Zeit, an der ich eigentlich wach sein wollte. Zum jetzigen Zeitpunkt wollte ich schon längst in der Bibliothek inmitten meines Lernchaos stecken.

Ich wache also voller Wut und etwas Enttäuschung über mich selbst auf, da das in der Prüfungsphase immer so ist. Ich nehme mir viel vor, leiste aber wenig. Das bin nicht ich.

Während meines Einkaufs für die nächsten Tage dann, werde ich von Kassierer blöd angemacht, ignoriere es aber und bin aus Trotz viel freundlicher als sonst und verlasse den Laden. Schon wieder habe ich zu viel gekauft und mich nicht an meine Einkaufsliste gehalten – sprich zu viel Geld ausgegeben.

Ich laufe Nachhause und bereite mir was zum Essen zu. Brötchen mit Tomate und Naturjoghurt. Mein ausgewogenes Frühstück, das in dem Fall Spätstück heißen sollte, sind Brötchen mit Tomaten und Naturjoghurt. Ich wollte meinem Körper eigentlich Gutes tun mit Sport und guter Ernährung.
Ich bin mit bewusst darüber, dass das First-World-Problems sind, doch wenn ich die Möglichkeit habe, wieso nicht nutzen? Bin ich durch die Möglichkeiten die ich habe nicht noch mehr in der Pflicht meinen Körper gut zu behandeln?

Als nächstes packe ich meine Sachen um in die Uni zum Lernen zu gehen. Es schneit. Ich rutsche aus, fliege hin und tue mir weh. Im gleichen Moment läutet mein Handy: Breaking-News: Der Stern schreibt: „Islam und Europa: Der ewige Zorn – Von Napoleon bis zu den Anschlägen von Paris – 200 Jahre blutige Konfrontation.“

Daraufhin läutet das Handy noch einmal – meine Mutter: „Kommst du dieses Wochenende? Du warst lange nicht mehr da.“ Es ist Prüfungsphase und zwischen Zeitung lesen, daran kaputt gehen, Selbstfindungsprozess und Menschen verlieren, die mir lieb waren, vernachlässige ich auch noch meine Familie, um nach Jahren evtl. einen Wisch in die Hand zu bekommen, auf dem „Bachelor Kindheitspädagogin“ steht.

Ich bin verletzt: Ich spüre, dass mein Knie blutet vom Sturz vorhin. Ich wurde vom Kassierer blöd angemacht, wahrscheinlich die Folgen solcher Zeilen wie vom Stern heute wieder, und ich habe meine Familie vermisst. Dazu lastet der Druck des sehr wichtigen Wischs „Bachelor Kindheitspädagogin“ auf mir, den ich so unbedingt unbedingt möchte.
Mittlerweile sitze ich in der Bahn und treffe auf gute, mir sehr nahe Menschen, und auf die Frage, wie es mir denn ginge, antworte ich: „Alhamdulillah (Allah sei Dank/Lob sei Allah), gut! Und euch?“ Ich lächle über das ganze Gespräch hinweg, denn das kann ich gut, und meistens wirkt es auch unglaublich überzeugend. An der Uni angekommen sitze ich im Uni-Café mit Kommilitoninnen, die nicht verschlafen haben, nicht von Stern-Artikeln betroffen sind und deren Eltern sie nicht angeschrieben haben. Sie sitzen, lachen ausgelassen bei einer Tasse Tee und haben ihr Arbeitspensum schon fast erreicht. Auf die Frage, wie es mir denn ginge, antworte ich: „Danke, gut! Und euch?“ und sie antworten dasselbe. Wie ihr Tag wohl vorher verlaufen ist?

Jedes Mal, wenn ich so antworte, zerbricht etwas in mir.

Und ich stelle mir die Frage: Es geht Menschen schlecht. Auch hier in Deutschland. Denn nur, weil wir im Überfluss leben, heißt es nicht, dass wir keine Seele haben, die schmerzen kann. Wieso ist es gesellschaftlich nicht angesehen, mit „mir geht es nicht so gut.“ zu antworten. Wieso erwarten wir ein Lächeln? Immer, überall, von jedem.

Schlimmer ist es noch, wenn ich muslimischen Geschwistern etwas vor spiele.
„Alhamdulillah, mir geht es schlecht“ zeugt doch nicht von Undankbarkeit, oder? Für mich zeugt es vielmehr von menschlichen Gefühlen und Phasen, die jeder, wirklich jeder einmal hat! Es zeugt von Mut, von Ehrlichkeit und von Respekt gegenüber dem anderen, denn wieso sollen wir Menschen anlügen?

Es ist gesellschaftlich nicht akzeptiert, schwach zu sein und in manchen kulturellen Rahmen wie z.B. im türkischen oder arabischen zeugt lange „Schwäche“, auch „Depression“ genannt, von unzureichendem Iman*. Und ich erinnere mich, wie ich mich intensiv mit der Koran-Sure „Ad-Duha“ auseinander gesetzt hatte, weil ich wissen wollte, wieso sie so sehr für mich geschrieben scheint. Auch der beste Mensch unter allen Menschen, der Prophet Muhammad (saw). war traurig und fast schon in einer depressiven Phase. Er hatte Angst, dass er die Verbindung zu seinem Liebsten, seinem Herrn verliert.

Der Mensch aller Menschen hatte Angst.
Ob er in dieser Phase seines Lebens auf die Frage „Wie geht es Dir?“ wohl mit lächelndem Gesicht „Alhamdulillah, gut!“ geantwortet hat?

***

Nachtrag: Die Dankbarkeit ist ein elementarer Bereich in meinem Glauben. Dieser Text soll nicht die Zulässigkeit der Undankbarkeit darstellen.Sie soll zeigen, dass es unter den Menschen mehr Akzeptanz dafür geben sollte, dass es schlechte Zeiten gibt und dass das okay ist.Das symbolisiert Authentizität und lässt zu, dass Menschen dazu stehen.Die Tatsache des Leidens anzunehmen lernen und nicht verdrängen und somit sich selbst und andere belügen. Dies alles ist solange in Ordnung wenn es im Rahmen des Zulässigen und des nicht-Undankbar-Seins geschieht.

Sure Ad-Duha findet ihr hier:
https://esimmasallah.wordpress.com/2014/02/10/trost/

*Islamologisch ist Iman ist die  Verinnerlichung der gesamten Inhalte dessen, was der Gesandte Muhammad (ALLAHs Segen und Frieden mit ihm) als abschließende Offenbarung definitiv für alle Muslime verkündete. (Amir Zaidan)

Hier bin ich, oh Herr.

Mekka Panorama_Fotor

Ich sitze hier neben zwei Schwestern die meine Familie geworden sind.

Ich habe eine Erinnerung in diesem Moment:

Gestern: ich besteige einen Berg – zum ersten Mal in meinem Leben. Ich laufe und laufe diesen Berg hoch direkt unter der brennenden Sonne. Es ist vielleicht um die 40 Grad.

Mit mir laufen Brüder und Schwestern aus aller Welt. Nach unzähligen Pausen und einer undefinierbaren Zeit komme ich an.

Das, wofür ich hierauf gestiegen bin wenige Meter von mir entfernt.
Und ich spüre es!

Alles – überall – IQRA! (Lies!)

Iqra spüre ich überall:
Iqra – im Herzen.
Iqra – in der Seele.
Iqra – im Geist.
IQRA!

Dann, in der Höhle in der diese Worte zum ersten Mal verlesen worden sind.

Lies! Lies im Namen deines Herrn Der erschuf. (Koran, Sure 96)

Und heute sitze ich hier; nach 6 Tagen meiner Ankunft spüre ich das, worauf ich gewartet hatte. Ein Leben lang.
Ich empfinde wie nie zuvor:
La ilaha ilallah! (Es gibt keinen Gott außer Allah)
mit tausenden Geschwistern aus der ganzen Welt.

Nochmal laufe ich: ich laufe und laufe. Runde um Runde mit diesen Menschen die mir so fremd und doch so nah sind.

Ich laufe dort, wo Ibrahim (as) mit seinem Sohn gelaufen ist.
Ich laufe dort, wo der Prophet Muhammed (saw.) dafür kämpfen musste um heute hier laufen zu dürfen.

Ich laufe und ich empfinde. Was? – das weiß ich selbst nicht so recht.

Nur weiß ich: ich laufe zu meinem Herrn.
Und nun verstehe ich: Labaika Allahumma Labaik! Hier bin ich, oh Allah!

Ich bin gekommen, oh Herr zu Dir, und heute, als ich Dein Haus berühren durfte bin ich angekommen und aufgenommen worden.

Labaika Allahumma labaik.

Mekka, 26.12.2014

Ich bin das Volk.

pegida

Noch vor wenigen Wochen hatte ich ein Gespräch mit einer Kommilitonin, ob etwas wie 1933-45 hier noch einmal möglich wäre.
Sie war der felsenfesten Überzeugung, dass das nicht der Fall ist. Denn heute wäre man viel gebildeter und aufgeklärter, viel toleranter. Heute wüsste man, was dabei raus kommen könnte.

Wir hatten dieses Gespräch in einem Seminar, in dem es um Forschungsmethoden ging und redeten davor über ein krankes Experiment, das man durchgeführt hat obwohl jeder die Möglichkeit hatte, es abzubrechen. Die Wenigsten taten das.

Ich sagte zu ihr in etwa: solange es Menschen gibt, die solch‘ kranke Experimente durchführen oder sich nur vorstellen könnten es zu tun, solange halte ich es auch für möglich, dass sowas wie damals, oder so ähnlich wieder passieren kann.
Die Welt wird vielleicht ein etwas schärferes Auge drauf werfen (hatte ich damals gedacht- heute nicht mehr) und das würde den Massenmord evtl. ausschließen, aber anderes, irgendwie anders, ein Mord des Intellekts, des Geistes vielleicht, das wäre möglich!

Sie schüttelte nur den Kopf: „nee, das denke ich nicht!“

Die letzten Tage und heute wieder lese ich, dass riesige Massen von Menschen zusammen kommen, um gegen eine Religionsgruppe/gegen Flüchtlinge und gegen „Fremdheit“ zu „demonstrieren“.

„Wir sind das Volk!“ schreien sie in den Videos die ich mir anschaue, mit einem zugegeben mulmigen Gefühl.

Ja, es ist möglich, denke ich wieder. Und wenn man nicht schon in den Anfangsphasen was dagegen unternimmt (und das wäre übrigens JETZT), dann kann es zu Ausschreitungen kommen, die nicht schön aussehen könnten.

Danach lese ich, dass sich Medien besorgt über diese Menschen äußern. Aber nicht nur über das was sie tun, sondern auch, dass diese Menschen sich nicht wahrgenommen nicht verstanden fühlen würden. Nicht zuletzt die Aussage eines Ministers, der meinte, man müsse die Sorgen/Ängste der Bürger ernst nehmen.

Ich frage mich, ob er meine Sorgen und Ängste als Bürgerin dieses Landes auch wahr- und ernst nimmt?

Und noch einmal kommt mir die Szene in den Sinn: „Wir sind das Volk!“

ICH BIN DAS VOLK.
Ich, mit meinen türkisch/kurdischen Flügeln und meiner Liebe zu dem Land, in dem ich geboren und aufgewachsen bin – Deutschland.
Ich bin das Volk, mit meinem Glauben – dem Islam, der mir Frieden und Gerechtigkeit lehrt.
Ich bin das Volk, mit meinem Tuch auf dem Kopf, das mich nicht weniger oder mehr für etwas qualifiziert.
Ich bin das Volk.
Ich bin ein Teil dieses Volkes, ein Teil dieses Landes. Als Bürgerin, als Studentin, Tochter, Schwester,Steuerzahler, Konsument. Angestellte, …

Ich bin das Volk!

Nicht die 15.000, die das auf den Straßen so laut rum posaunen und noch nicht verstanden haben, dass Hitler nun weg ist.
Und das auch so bleiben sollte – weg aus dem Leben, aus den Gedanken, aus den Herzen der Menschen!

Nachtrag: Auf die Frage, wieso die Menschen so viel Angst haben und wieso sie sich (meiner Meinung nach) so unnötig extrem fürchten – hier vielleicht ein Grund:

wieso_hass_pegidaMan braucht eine Sache nur oft genug wiederholen – irgendwann glauben es die Menschen einfach.

Mein Hoca hat gesagt.

Es ist eine gemütliche Runde. Ich bin zum ersten Mal hier. Mein Vater ist dabei.
Eine muslimische Runde.

Ich esse, trinke Kaffee und lausche den Gesprächen der Frauen an meinem Tisch, wobei ich mir insgeheim wünsche am Tisch meines Vaters zu sitzen, da es dort sicher viel spannendere Themen gibt, und es eher eine Art respektvoller Fight ist, als das Monotobie der Frauenrunde.

Dann höre ich den Satz: „Mein Hoca hat gesagt…’ und bin wieder mit der Aufmerksamkeit voll bei meinem Tisch. Zwischenzeitlich wurde auf den Satz geantwortet und dann noch mal, aber mit Nachdruck wiederholt: ‘Aber das hat der Hoca gesagt, das hat er gesagt, das muss man können!’
Dabei ist ihre Miene ernst und erinnere mich daran wie meine Oma aussieht, wenn sie mich ermahnt – mit einer ernsten Miene und passenden, ernstem Nicken.

Und plötzlich bin ich wieder in der Vergangenheit. In der Türkei wo ich noch vor paar Wochen erst war.

Eines Abends saßen wir dort mit der Familie zusammen. Alle waren versammelt und waren in Aufruhr. Alle redeten durcheinander und versuchten sich gegenseitig von ihrer Meinung zu überzeugen. Mit ernster Miene und Nicken.

Es ging um das Erbrecht der Frau. Nicht wie hoch ihr Recht ist, oder wie das geregelt wird, sondern eher, ob sie überhaupt eines hat.

Da fiel dieser Satz auch: ‘Mein Hoca hat gesagt,…’

Und mir fiel plötzlich auf wie oft ich diesen Satz höre. ‘Mein Hoca/Imam/Sheikh hat gesagt’. Und daran ist weder zu zweifeln noch zu rütteln – denn es war der Hoca, der das gesagt hat. Weil Hocas nämlich die Weisheit mit dem Löffel gefressen haben (vor allem die, die sagen, dass die Frau das Erbe nicht nötig habe, da das in der türkisch – kurdischen Kultur nicht üblich sei). Man könne ihr aber, wenn man möchte vielleicht etwas Gold schenken,damit sie zufrieden ist)

An diesem Abend in der Türkei (und an vielen, vielen anderen Abenden, Tagen, Nächten auch) habe ich mich eingemischt. Als Frau. Als junge, unverheiratete, deutsche Frau.

Ich habe ihnen gesagt: „“Wisst ihr, es gibt eine Sure (An Nisa) im Koran, in der genau diese Sache beschrieben und erläutert wird. Und wenn ihr einen türkischen Koran nehmt und einen Tafsir (Erläuterung des Korans), dann könntet ihr die Antwort auf eure Frage finden, ohne zu einem Hoca zu gehen der euch scheinbar das Falsche in dieser Sache gelehrt hat, denn die Frau hat ein Recht auf Erbe.’

Eines anderen Abends hatte ich das Beispiel der Ansar und der Mekkaner angebracht, als Vergleich für die Türken – Syrer – Situation in der Türkei.

Und eines anderen Abends den Hadith, dass Aisha (r.a.) Berichtete, dass der Prophet Muhammed (s.a.s) manchmal so sehr weinte, als er vor Allah niederkniete, dass Tränen von seinem Bart getropft sind, weil er so durchnässt war.
Ich erzählte dies, weil sie meinten, dass ein Mann nicht weint und wenn doch, dass er schwach sei.

Die Reaktionen auf die drei Beispiele und auf alle anderen Situationen die ich in zwei Monaten erlebte war dieselbe:
Wir sind Menschen, Eşim, hieß es. Ganz normale. Und wir sollten uns nicht anmaßen auch nur zu denken, dass wir den Koran verstehen könnten, wie die Propheten oder die Sahaba, Geschweige denn denken, wir könnten uns sie zum Vorbild nehmen, denn das würde sie erniedrigen.
Ich solle vorsichtig sein.
Denn ich bin kein Hoca und der Hoca hat gesagt…

Die Erklärung für diese Worte (und für so viel anders dort) spiegelt sich auch in der der Tatsache wieder, dass ich den Koran in dem Haus auf einem hohen Regal fand, verstaubt und wahrscheinlich „vergessen“.

Wenn ich daran denke, was sie sagen würden, wenn sie meinen gefunden hätten , mal im Koffer, mal in der Tasche, mal auf dem Nachttisch, nicht viel höher als ein Sofa, zerknittert, beklebt mit PostIt und markiert wie ein Studienbuch. …

“Mein Hoca“ hat gesagt’, ist zwar ein einfacher Satz und es ist richtig, eine Fachperson in Angelegenheiten zu befragen, die unser Wissen überschreiten, um uns abzusichern, aber mein Hoca hat gesagt macht es uns auch zu einfach.

‘Mein Hoca hat gesagt’ kann dazu führen, dass die Menschen vergessen, dass der Koran für sie herab gesandt worden ist. Für jeden einzelnen Menschen auf der Welt.
‘Liest du den Koran so, als ob Allah ihn für dich persönlich geschrieben hat?’, fragte mich ein älterer Bruder während seines Vortrages. Ich war 13. Nein, damals habe ich ihn nicht so gelesen.
Denn der Hoca oder auch mein Vater wussten alles, was ich damals wissen wollte. Deshalb musste ich ihn auch nicht so lesen – dachte ich.

‘Mein Hoca hat gesagt’ gibt die gefährliche Freiheit das Hirn auszuschalten, Schafe zu sein die einem anderen Schaf hinterher laufen, statt nach dem Hirten zu suchen.

‘Mein Hoca hat gesagt’ führt dazu, dass wir Allah vielleicht nie näher kommen können als beim Freitagsgebet, weil wir nicht begriffen haben, weil ich nicht begriffen habe, dass es Allah um mich geht, wenn ich den Koran lese und Er sagt: ‘Haben wir denn nicht deine Brust geweitet und dir deine Last abgenommen?‘ (aus Sure 94)

‘Mein Hoca hat gesagt’ kann ein Weg zu Allah sein, aber auch ein Weg von Ihm weg.

Deshalb ist der Mut und die Erkenntnis den Koran zu nehmen, selbstbewusst das Hirn einzuschalten und den Koran so zu lesen, als sei er für dich, mich, uns persönlich geschrieben worden sein gefragt.

O Gesandter Allahs.

Prophrt_Muhammed_Pbuh_by_artmidos

O Gesandter Allahs,
man sagte mir, ich solle einen Text über Dich schreiben. Ich solle Deine Schönheit in Worte fassen und diese vermitteln.

O Gesandter Allahs,
nun saß ich da mit Stift und Papier, und mein Geist, mein Körper wehrten sich dagegen.

Sag mir, o Gesandter Allahs,
welcher Deiner Schönheiten, welche Deiner edlen Züge, welche Deiner Tränen, die Du um unseret Willen vergossen hast soll ich erwähnen?

Die Flut an Liebe und Bewunderung die über mich kommt – wie soll ich das alles auf Papier bringen?

Ich kann es nicht in Worte fassen – banal und unbedeutend wie sie sind.

Wie sollte ich denn Deine Schönheit in einem Text zusammenfassen können?

Ich könnte darüber schreiben, welch ein vertrauenswürdiger Mensch Du warst – Al-Amin. Für jeden immer da. Egal ob sie zu dir gehörten oder nicht. Ihnen immer beistandest. Balsam warst für ihre und unsere Seelen, ya RasulAllah!

Ich könnte darüber schreiben, welch wundervoller Ehemann Du warst. Deine Frauen geehrt und respektiert hast. Und Dir Deiner Aufgaben und Pflichten bewusst warst.

Ich könnte darüber schreiben, welch ein liebevoller und perfekter Vater Du warst. Einer, Welcher sich erhob, sobald die Tochter den Raum betrat. Und sie ehrte und liebte, wie kein anderer.

Ich könnte darüber schreiben, welch gutmütiger Großvater Du warst, der mit Kind – Kind wurde aber sie auch ernst nahm und ihnen ihr Recht gab.

Ich könnte darüber schreiben, welch ein gerechter Mensch Du warst in Angelegenheiten des Staats und gar der Schlacht. Du gabst jedem und nahmst von jedem was ihnen zustand, ohne je die Werte Allahs zu vernachlässigen.

Ich könnte darüber schreiben, welch eine Hoffnung Du für jene warst und bist, die verloren sind in dem, was ihnen als Prüfung auferlegt worden ist. Die verloren sind, im Alltag, in der Liebe, im Leid, und auch in der Freude und in den Tränen.

Ich könnte schreiben, dass Du dich nicht nur um alle Menschen gekümmert hast, du setztest Dich auch für Tiere und die Natur ein, in liebevoller Barmherzigkeit.

O Gesandter Allahs,
ya RasulAllah,
keiner dieser Worte könnten Dir gerecht werden. Deiner Schönheit. Deinem edlen Wesen. Deiner Gerechtigkeit als Herrscher, Vater, Ehemann, Opa und nicht zu letzt als Prophet.

Ich könnte auch darüber schreiben, wie viel Tränen Du um der Ummah, Deiner Gemeinschaft Willen vergossen hast, welche Leiden Du für uns, deiner Ummah gelitten hast.

O Gesandter Allahs,
ich bezeuge für jede einzelne Schwester und für jeden einzelnen Bruder (die/der heute hier sitzt) die unendliche und bedingungslose Liebe Dir gegenüber und Dem gegenüber, Welcher Dich zu uns gesandt hat.
Den Einen, dem Ewigen. Dem Gerechten. Dem Licht im Schatten. Der Erleichterung nach der Erschwernis.

Ya RasulAllah, ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt außer Allah und ich bezeuge, dass Du sein Diener und Gesandter bist.

So lass uns eingehen, gemeinsam mit Dir, in Liebe, Glückseligkeit, Freude und Triumph durch das Tor des Paradieses!

Velbert, April 2014

(Bildquelle: artmidos.deviantart.com)